HBI-Forscherin Judith Möller war zu Gast in der arte-Sendung „Agree to Disagree“ und diskutierte mit dem Psychologen und Wissenschaftler Bertolt Meyer über den Einfluss von Sozialen Medien auf die Nutzenden sowie auf unsere Demokratie insgesamt.
Können Fake News und Verschwörungstheorien Regierungen untergraben, indem sie Informationen verzerren, falsche Darstellungen verbreiten und politische Manipulation begünstigen? Als Spezialistin für Filterblasen und politische Kommunikation im Netz betont Judith Möller, dass Soziale Medien immer noch das sind, was wir aus ihnen machen. Die manchmal als zu mächtig und undurchsichtig verteufelten Algorithmen werden schließlich auch nur von Menschen gemacht. „Wir können entscheiden, ob wir, wenn wir beispielsweise nach dem Wort „Frau“ suchen, von der Suchmaschine nur Bilder von weißen Frauen angezeigt bekommen, wie das vor ein paar Jahren tatsächlich noch der Fall war, oder ob wir diversere Ergebnisse bekommen wollen“, sagt Judith Möller. „Das ist eine Gestaltungschance für die Zukunft. Und die bietet uns die Technologie.“
Sind Soziale Medien dann gar nicht so gefährlich für unsere Demokratie, wie es manchmal behauptet wird, will Bertolt Meyer wissen. Judith Möller argumentiert, dass wir heutzutage manchmal ein verzerrtes Bild der öffentlichen Debatte bekommen und dadurch den Eindruck hätten, unsere Gesellschaft sei viel tiefer gespalten, als sie es tatsächlich ist. Dieser Eindruck entstehe, da heute viel öfter extreme Ansichten auch in den klassischen Medien landen. „Auf Sozialen Medien ist es sehr einfach, Gleichgesinnte zu finden. Auch extreme Meinungen finden sich dort schnell und können als Gruppe ganz schön laut werden.“ Diese Gruppen können online Debatten anstoßen, die im analogen Leben niemals mit der gleichen Intensität geführt werden würden. Diese Online-Debatten würden aber gerne von Journalist*innen aufgegriffen. „Auf diese Weise landen extreme Ansichten, die de facto eine Minderheit darstellen, aufgrund des Lärms, den sie in Social Media erzeugen, in den klassischen Medien.“ Das überrasche uns, da klassische Medien lange Zeit das Problem des Mainstreamings hatten, und wir es gewohnt waren, immer wieder die gleichen Meinungen zu lesen. Dadurch entstand möglicherweise ein falsches Bild der extremen Einigkeit, so wie heute ein falsches Bild der extremen Spaltung entstünde.
Sollten extreme Meinungen in Sozialen Medien überhaupt geäußert werden dürfen? Bei dieser Frage geht es Judith Möller um die Proportionalität. „Auch eine extreme Meinung muss in einer Demokratie geäußert werden dürfen, solange sie keine juristische Grenze überschreitet. Allerdings ist die Frage, wie viel Raum eine extreme Meinung in der öffentlichen Debatte einnehmen darf. Diese Proportionalität haben wir in den letzten Jahren verloren. Daher wirkt es eben manchmal so, als würde unsere Gesellschaft viel stärker auseinanderdriften, als sie es tatsächlich tut.“
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Hamburg, 17. August 2023
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