Inwieweit können algorithmische Empfehlungssysteme bei öffentlich-rechtlichen Medienanbietern Teil der eigenen publizistischen Tätigkeit sein und an die Seite (oder auch: an die Stelle?) von journalistischer Auswahl und Zusammenstellung von Informationen treten? In einem White Paper für den MDR werden wesentliche Merkmale und Prinzipien algorithmischer Empfehlungssysteme zusammenfasst und in ihren Konsequenzen für öffentlich-rechtliche Angebote diskutiert.
Der Bedeutungsgewinn digitaler vernetzter Medien hat die Strukturen gesellschaftlicher Öffentlichkeit grundlegend geändert. Ein wesentlicher Teil dieses Wandels ist, dass die Auswahl, Aufbereitung und Präsentation von Informationen nicht mehr alleine von journalistisch-publizistischen Redaktionen geleistet wird.
Insbesondere bei Suchmaschinen wie Google sowie bei Social-Media-Intermediären wie Facebook, YouTube oder Twitter leisten algorithmische Auswahl- und Empfehlungssysteme mittlerweile die für Nutzer/innen unverzichtbare Aufgabe, aus der Fülle verfügbarer Informationen und Inhalte auszuwählen. Ein wesentliches Leistungsversprechen algorithmischer Systeme ist in diesem Zusammenhang die „Personalisierung“ von Informationsangeboten, also das möglichst individuelle Zusammenstellen von relevanten, interessanten oder anderweitig passenden Empfehlungen. Seit einigen Jahren wird, etwa unter Stichworten wie „Filterblase“ oder „Echokammer“, allerdings auch kritisch diskutiert, ob algorithmische Personalisierung unter Umständen zur gesellschaftlichen Fragmentierung und Polarisierung beiträgt.
Diese Entwicklung zwingt Medienorganisationen zu strategischen Überlegungen, inwieweit algorithmische Empfehlungssysteme Teil ihrer eigenen publizistischen Tätigkeit sein sollen, also inwieweit sie an die Seite (oder auch: an die Stelle?) von journalistischer Auswahl und Zusammenstellung von Informationen treten sollen. Für öffentlich-rechtliche Anstalten stellen sich aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Auftrags besondere Fragen, etwa in Hinblick auf die Balance zwischen Personalisierung einerseits und der Grundversorgung zu gesellschaftlich relevanten Themen andererseits.
Vor diesem Hintergrund hat das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung für den MDR ein White Paper erstellt, das wesentliche Merkmale und Prinzipien algorithmischer Empfehlungssysteme zusammenfasst und in ihren Konsequenzen für öffentlich-rechtliche Angebote diskutiert.
Das White Paper ist als Arbeitspapier des Hans-Bredow-Instituts Nr. 45 erschienen:
Jan-Hinrik Schmidt / Jannick Sørensen / Stephan Dreyer / Uwe Hasebrink (2018): Algorithmische Empfehlungen. Funktionsweise, Bedeutung und Besonderheiten für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut, September 2018 (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts Nr. 45). (pdf)
Eine kürzere Fassung des White Papers ist zudem als Artikel in Media Perspektiven erschienen:
Jan-Hinrik Schmidt / Jannick Sørensen / Stephan Dreyer / Uwe Hasebrink (2018): Wie können Empfehlungssysteme zur Vielfalt von Medieninhalten beitragen? Perspektiven für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. In: Media Perspektiven, 11/2018, S. 522-531. (pdf)