Das Dissertationsprojekt untersuchte die Formen von Wissensdefiziten rechtlicher Entscheidungen im deutschen Jugendmedienschutzrecht für Rundfunk und Telemedien, wie es vom Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vorgezeichnet wird. Im Fokus steht dabei die Analyse der gesetzgeberischen Entscheidungsdeterminanten, d.h. die allgemeinen und grundrechtsspezifischen Anforderungen an seine Entscheidungen unter Ungewissheit. Kursorisch nahm die Arbeit auch den Blick auf einzelne Entscheidungen der nachgelagerten Ebenen: Zum einen sind hier je nach Entscheidungsart und -ebene verschiedene Ursachen für die Wissensdefizite anzutreffen, d.h. auf Ebene des Gesetzgebers, der ermächtigten Behörden und der im Rahmen eines Systems regulierter Selbstregulierung etablierten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle. Zum anderen hat sich eine wichtige Kategorie rechtlicher Entscheidungen unter Unsicherheit, nämlich mögliche Einschätzungs- und Beurteilungsspielräume und die entsprechende Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung als ein Feld herausgestellt, das in der juristischen Literatur kontrovers diskutiert wird, zumal die (privatrechtlichen) Selbstkontrolleinrichtungen im Staatsvertrag explizit mit „Beurteilungsspielräumen“ ausgestattet sind.
Die Kombination aus einer relativ jungen Regulierungsform (regulierte Selbstregulierung/Ko-Regulierung) und den für die Funktion des Steuerungsansatzes notwendigen Rahmenbedingungen, der Frage nach Spielräumen und ihrer gerichtlichen Kontrolle in einem Mehr-Ebenen-System und letztlich einem Steuerungsbereich, in dem wissenschaftliche Forschung keine eindeutigen Informationen zur Minimierung von Ungewissheit liefern kann, kann tiefergehende Erkenntnisse liefern als dies in anderen Rechtsbereichen der Fall wäre. Im ersten Teil der Arbeit wurden der Gegenstand und die Ursachen von Ungewissheit im Rahmen rechtlicher Entscheidungen allgemein beleuchtet – und wie Recht darauf reagieren kann und muss.
Bereichsspezifische Determinanten für Entscheidungen im Bereich des Jugendmedienschutzes erwachsen daneben aus den jugendschutzverfassungsrechtlichen Vorgaben, welche im zweiten Teil herausgearbeitet wurden. Der dritte Teil gibt einen Überblick über den einfachgesetzlichen Rahmen des Jugendmedienschutzes in Deutschland. Im vierten und letzten Teil werden ausgesuchte Typen von Entscheidungssituationen aus Ungewissheitsperspektive beleuchtet und die aus den ersten beiden Teilen für die unterschiedlichen Entscheidungssituationen erwachsenden Leitlinien und Maßstäbe angewendet, um eine Typologisierung von Entscheidungen unter Ungewissheit im Jugendmedienschutz aufzuzeigen, die in Zukunft dabei helfen kann, entsprechende Entscheidungsprogramme und ihre Leitlinien differenzierter zu betrachten als bisher.
Das Projekt wurde 2018 fertiggestellt und im Nomos-Verlag veröffentlicht:
Dreyer, S. (2018): Entscheidungen unter Ungewissheit im Jugendmedienschutz. Untersuchung der spielraumprägenden Faktoren gesetzgeberischer und behördlicher Entscheidungen mit Wissensdefiziten. Baden-Baden: Nomos. 431 S., Broschiert, ISBN 978-3-8487-5393-2, 114,- EUR,
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