Die sich wandelnde Medienumgebung mit Internet und sozialen Medien berührt journalistische Organisationen, einzelne Journalisten und ihre Arbeit tiefgreifend: Über Medienkanäle und Plattformen wie Facebook, Twitter und Snapchat, auf denen journalistische Inhalte erstellt, verbreitet und genutzt werden, kann das Publikum sich auf bisher ungekannte Weise selbst öffentlich einzubringen oder auch mit Journalisten in Kontakt treten: Im Sekundentakt erreichen die Redaktionen Nutzerkommentare und Feedback-Mails zu ihren Beiträgen sowie Tweets und Facebook-Posts von Leser(inn)en, Hörer(inn)en und Zuschauer(inn)en, die sich an den öffentlichen Debatten beteiligen.
Gleichzeitig trägt die neue Medienumgebung dazu bei, dass neue Medienangebote wie
BuzzFeed, Correct!v, Edition F, Heftig.com und
Huffington Post entstehen, welche die neuen Kanäle auf neue Weise bedienen und einbinden. Zudem erlauben es die digital vernetzten Medien, Journalismus auch anders als in einer traditionellen Redaktion zu organisieren: etwa in Netzwerken und Kollektiven bestehend aus meist frei arbeitenden Journalist(inn)en (wie z. B. bei
Deine Correspondentin oder
Untold.st) oder auch als Eine-Frau- bzw. Ein-Mann-Medium im so genannten „Unternehmerjournalismus“.
Es ändern sich also die Publikumsbeziehungen des Journalismus und die Art, wie er organisiert wird – oder genauer: beides wird deutlich vielfältiger. Dabei sind beide Entwicklungen miteinander verwoben: So steht etwa im Mittelpunkt der Art und Weise, wie das journalistische Startup
Krautreporter seine Arbeit organisiert, ein neues Verständnis von der Beziehung zu ihren Nutzer(inn)en als Financiers und Mitgestalter(inn)en.
Diese Veränderungen sind hochrelevant, denn aus der Forschung ist bekannt: Die Publikumsbeziehungen von Journalistinnen und Journalisten wie auch die Organisation, in die sie ‚eingebettet’ sind, haben einen Einfluss auf Produktion von Inhalten und Berichterstattung. Und wenn sich die journalistische Berichterstattung wandelt, dann kann sich das auf die Information und Meinungsbildung in der Gesellschaft auswirken.
In diesem Projektvorhaben, das im Rahmen des
Forschungsverbunds Transforming Communications entwickelt wurde, soll daher mit verschiedenen Methoden untersucht werden, welche neuen journalistischen Organisationen und Organisationsformen entstehen, wie Journalist(inn)en in unterschiedlichen Organisationen ihre Beziehung zu ihrem Publikum gestalten und wie dies ihre Arbeit und letztendlich ihre journalistischen Beiträge beeinflusst.
Als Heuristik dient hierbei das
Konzept der Kommunikativen Figuration , mit dem Publikumsbeziehungen rekonstruiert werden können als Zusammenspiel aus
- einer Konstellation von Akteuren und ihren entsprechenden Rollen(erwartungen),
- ihren unterschiedlichen kommunikativen Praktiken, die sich über ein spezifisches
- Ensemble verschiedener Medien erstrecken, und
- der sinnhaften Rahmung dieser Praktiken.
Bei der Erhebung kommt ein Multi-Methoden-Design zum Einsatz: Basierend auf einem kontinuierlichen Monitoring des journalistischen Selbstgesprächs auf nationalen und internationalen Plattformen (medienjournalistische Print-, TV-, Radio- und Onlineangebote inkl. Blogs und Social Media-Accounts sowie Konferenzen) werden neue journalistische Organisationen und innovative Organisationsformen in einer Datenbank dokumentiert, die nach relevanten Unterscheidungskriterien (Geschäftsmodell, Verbindung zu größeren Medienorganisationen, Formen der Publikumseinbindung, Definition von Mitgliedsrollen, bediente Plattformen/Kanäle usw.) strukturiert ist. Durch rekonstruierende Interviews, eine Tagebuch-App sowie semi-automatisierte Inhaltsanalysen von journalistischen Beiträgen und Anschlusskommunikation des Publikums wird ermittelt, wie Journalist(inn)en in etablierten bzw. neuen organisationalen Zusammenhängen ihre Publikumsbeziehung gestalten und wie sich dies auf journalistische Aussagenentstehung auswirkt. Das Forschungsvorhaben schließt an das von der DFG geförderte Projekt „
Die (Wieder-)Entdeckung des Publikums“ an und erweitert den Blick auf neue Organisationen und Organisationsformen im Journalismus und auf Praktiken von Journalist(inn)en, die in solchen Medienorganisationen und innovativen organisationalen Zusammenhängen arbeiten.