​„Barbie”-Filmanalyse: Alles so schön pink hier?

Medienwissenschaftlerin JOAN BLEICHER über Greta Gerwigs neuen Film „Barbie“ und dessen Rezeption.

Greta Gerwigs neuer Hitfilm „Barbie“ ist ein Genrehybrid aus vielfältigen Bausteinen des populären Kinos. Er ist Roadmovie, Slapstick-Komödie, Animationsfilm, Krimi, Surf-Film, Science Fiction, Familienfilm, Musik- und Bollywood-Tanzfilm in einem. Außerdem wird er als feministische Gesellschaftskritik rezipiert. Durch die ironische Übertreibung von Männlichkeits- und Weiblichkeitsklischees veranschaulicht er den Geschlechterkampf. Barbie steht als Symbol exemplarisch für die Konsumorientierung weiblicher Geschlechterrollen, die die Identitätskonstruktion und Wahrnehmung eigener Interessen verhindert.

Der Film ist zudem eine große PR-Kampagne für Barbie-Hersteller Mattel. Das Warenspektrum rund um die berühmte Spielzeugpuppe wird optisch attraktiv und somit werbewirksam in Szene gesetzt. Interessant ist jedoch, dass zwar sehr viele Merchandising-Artikel verkauft werden, die Puppe selbst jedoch noch keine nennenswerte Absatzsteigerung aufweisen kann.

Alles schön und gut in Barbieland…

Der Film beginnt in einer virtuellen Barbie-Welt, die nur aus Schönheit und Unterhaltung besteht. Inszenierungen von erfolgreichen Frauen (Präsidenten-Barbie, Nobelpreis-Barbie) ersetzen tatsächliche berufliche Aktivitäten und Machtpositionen. Plastik (Körper, Häuser, Natur), Pink und Rosa bilden die visuellen Oberflächen der Künstlichkeit von Barbies Scheinwelt, die sich mit dem Ziel des Selbsterhalts der kapitalistischen Utopie nicht mit der Realität mischen darf.

Barbie bricht jedoch aus ihrer Plastikwelt aus und begibt sich in die Realität. Dort erfährt sie eine „existenzielle Erschütterung“, wie Marie-Luise Goldmann es in ihrem Beitrag in der WELT beschreibt: „Als sie in der echten Welt einen Schulhof betritt, bleibt die erwartete Begeisterung vonseiten der Kinder aus. Stattdessen werfen sie ihr an den Kopf, sie zu hassen und schon seit dem Alter von fünf Jahren nicht mehr mit ihr, einer Faschistin und Kapitalistin, die am ungesunden Körperbild so vieler Frauen schuld sei, zu spielen.“ Implizit wird die narrationstheoretische Frage nach dem Verhältnis von Fiktion und Realität und nach den Erlebnisdimensionen filmischer Bedeutungskonstruktion gestellt.

Feminismus des Barbie-Films

Barbies Kontakt mit der Realität führt zur Anpassung der bislang weiblich dominierten Geschlechterhierarchie der Barbie-Welt. Dies bildet den Ausgangspunkt für die ironische Darstellung von Männerrollen in Handlung (Selbstinszenierung, Wettkämpfe, Gewalt), Sprache und Requisiten (Autos, Sportartikel, Kleidung, Wohnungseinrichtung). Als Barbie mit Ken die echte Welt betritt, dauert es einige Zeit, bis den beiden dämmert, dass hier etwas nicht stimmt: Hier regieren Männer! Ken kann sein Glück kaum fassen. Er könnte hier alles sein: Arzt, Bademeister, sogar Präsident, nicht nur Ken, nicht nur einer, der erst in Verbindung mit Barbie eine Identität erhält. Goldmanns Fazit: „Barbie ist nicht nur ein feministischer Film geworden, sondern ein Film über den Feminismus. Er denkt den Feminismus nicht nur mit, sondern er denkt ihn neu.“

Auch Dietmar Dath unterstreicht in der FAZ den dem Film eingewobenen Feminismus. Ein wichtiger Monolog im Film enthalte etwa viele implizite, „sehr vernünftige feministische Minimalanforderungen“ und sei deshalb geradezu das „große Herz des Films“. Kritiker Matthias Schwardt hingegen bemängelt in der TAZ ebendiesen „Grundschulfeminismus“ und die „schmierigen Hollywood-Klischees“ à la „Ich bin was wert, du bist was wert, alle sind was wert! Feiern wir das Leben der unbegrenzten Möglichkeiten!“

Barbie kombiniert Unternehmens-PR mit kritischer Botschaft

Regisseurin Greta Gerwig setzte sich bereits in einer Reihe von Filmen wie „Lady Bird“ kritisch mit Frauenrollen und Genderklischees auseinander. Mattel wiederum nutzt den Film trotz seiner kritischen Dimensionen als Unternehmens-PR und plant eine Reihe weiterer Verfilmungen der eigenen Spielwarenproduktion, wie beispielsweise Polly. Mathias Schwardt beschreibt die PR-Strategie wie folgt: „Die Traditionsbarbie – blöd, aber hübsch und mit zimmergroßem Kleiderschrank gesegnet – ist die Inkarnation des Frauenverständnisses von Steinzeitmachos. Gerwig verschafft dem Unternehmen nun Credibility. Was, so die Hoffnung, auch die Puppen und den anderen Plastik-Krimskrams plötzlich hip macht.“ Ob diese Strategie tatsächlich durch die geplante Filmreihe realisiert werden kann, bleibt fraglich.

Doch veranschaulicht der Film aus meiner Sicht die Möglichkeiten, bunte Oberfläche, stereotype Rollenklischees und eine humorvolle Selbstironie mit widersprüchlichen Funktionen der Unternehmens-PR und einer kritischen Botschaft zu kombinieren.

Der große Publikumserfolg des Films basiert auf einer langfristigen PR-Strategie. Fotos der Schauspieler*innen statt Informationen über den Filminhalt weckten zunächst ebenso die Neugier wie die Regisseurin Greta Gerwig, deren bisherige Filme so gar nicht zu dem Barbie Image passten. Auch erste Trailer verbargen mehr als sie zeigten. Vielfältige Genrebausteine, implizite Theorien, populäre Erzählmuster, viel Selbstironie garniert mit Pink und Musikstücken bildeten schließlich das attraktive Endprodukt.
Foto: Myke Simon / unsplash

Last update: 07.02.2024

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