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Der irische Weg der Plattformregulierung: der Online Safety and Media Regulation Bill

Der irische Weg der Plattformregulierung: der Online Safety and Media Regulation Bill

24.11.2021

In Europas BigTech Hotspot Irland wird derzeit ein Gesetzentwurf zur Regulierung von Plattformen diskutiert, mit dem eine neue Media Commission geschaffen werden soll, die wichtige Regeln für Plattformen aufstellen kann. Aber kann das auch zu effizienter und legitimer Regulierung führen? Oder wird der neuen Behörde zu viel Spielraum bei der Rechtssetzung gegeben?
von Lena Hinrichs


Die Diskussion um verschiedene Ansätze in der Plattformregulierung wird derzeit vom Entwurf des Digital Services Act (DSA) dominiert. Allerdings befinden sich auch verschiedene nationale Gesetzgeber im Prozess, einen eigenen Rechtsrahmen für die Regulierung zu entwickeln, wie es etwa mit dem 2017 in Deutschland in Kraft getretenen und inzwischen novellierten Netzwerkdurchsetzungsgesetz geschehen ist. Aktuell lohnt ein Blick auf den Entwurf des irischen Online Safety and Media Regulation Bill (OSMR Bill). Durch den Gesetzentwurf übt das Land Druck auf die Plattformen aus, was besonders mit Blick darauf wichtig ist, dass Irland den europäischen Hotspot für BigTech-Konzerne darstellt. Dies zeigte sich etwa an den durch den europäischen Gerichtshof entschiedenen Fällen Schrems I und Schrems II, in denen der Kläger Maximilian Schrems zur Durchsetzung des Datenschutzes zunächst den irischen Rechtsweg beschreiten musste, da Facebook seinen europäischen Sitz in Irland hat.

Der Entwurf des OSMR Bill, der zum ersten Mal im Januar 2020 präsentiert wurde, verfolgt nach Angaben der irischen Regierung einen systemischen Ansatz zur Plattformregulierung durch die Einrichtung einer Media Commission, welche von einem Online Safety Commissioner geleitet werden soll. Der Commissioner, der/die die Kompetenzen haben soll, selbst zu entscheiden, welche konkreten Verstöße durch Plattformen zu verfolgen und zu ahnden sind, hat dadurch einen großen Spielraum. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt übrigens auch Großbritannien in seinem Online Safety Bill in diesem Jahr, welcher sich ebenfalls noch im Gesetzgebungsprozess befindet.

Kann nun der irische Ansatz den Herausforderungen der Content Governance durch verschiedene Plattformen besser Rechnung tragen? Oder geht die Einrichtung einer solchen zentralen Aufsicht schon zu weit? Um diese Fragen zu beantworten, sollen im Folgenden der Inhalt und die Entstehung des irischen Gesetzentwurfs exemplarisch dargelegt und diskutiert werden.
Der irische Online Safety and Media Regulation Bill (OSMR Bill)
In Irland wurde die Einrichtung einer Media Commission schon 2016 diskutiert, im selben Jahr jedoch durch den damaligen Premierminister Leo Varadkar abgelehnt. 2018 schlug der Minister für Kommunikation die Einrichtung erneut vor, räumte später allerdings ein, dass es rechtliche Hindernisse gäbe.

In einem dritten Anlauf möchte Irland jetzt durch den OSMR Bill zum ersten Mal einen speziellen Rechtsrahmen zur Regulierung von sozialen Medien schaffen. Zudem wurde ein Gesetzesentwurf zur besseren Verfolgung von Hasskriminalität, der General Scheme of the Criminal Justice (Hate Crime) Bill, formuliert. Neben diesen beiden Gesetzesvorhaben sind soziale Netzwerke direkt derzeit lediglich von “Coco’s Law”, (dem Harassment, Harmful Communications and Related Offences Act, betroffen, dessen Gegenstand die Kriminalisierung der Verbreitung, Veröffentlichung oder Androhung der Veröffentlichung intimer Bilder ist, der Problematik des sogenannten “revenge porn”.
Umfassende Kompetenzen für effiziente Regulierung?
Der aktuelle Gesetzesvorschlag verfolgt zum einen das Ziel, die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMSD) umzusetzen. Zum anderen wird durch die Einrichtung der Commission eine zentrale Stelle für die Aufsicht von Plattformen geschaffen. Eine ähnliche Plattformaufsicht ist auch im DSA geplant, was die Frage danach aufwirft, in welchem Verhältnis die beiden Vorhaben zueinander stehen. Daher fordert auch der irische gemeinsame Ausschuss für Tourismus, Kultur, Kunst, Sport und Medien zum Gesetzentwurf des OSMR Bill, diesen weiter unklaren Aspekt genau zu prüfen.

Die Commission soll Online Safety Codes beschließen, die vor allem einen sicheren Umgang der Plattformen mit harmful online content im Sinne des Gesetzes gewährleisten sollen. Dabei hat  die Commission nach Head 9, Section 1 bei all ihren Tätigkeiten auf die Erhaltung der demokratischen Werte zu achten, die die irische Verfassung vorgibt. Werden die Codes nicht eingehalten, können Sanktionen verhängt werden.

Die Commission legt fest, welche Plattformen vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst sind und als designated online services gelten. Diese designated online services müssen regelmäßig über ihre Aktivitäten zur Einhaltung der Codes berichten. Zudem soll auch die Commission jährlich einen Bericht dazu veröffentlichen, welche Schritte sie für die Online-Sicherheit unternommen hat. Darüber hinaus kann sie von Plattformen Auskünfte verlangen und plattforminterne Untersuchungen anordnen, wenn der Verdacht besteht, dass diese die Codes nicht befolgen. Eine Verweigerung wird mit Geld- oder Haftstrafe bedroht (Catgory 2 Offence). Weiter kann die Commission Informationskampagnen organisieren, Beschwerden bezüglich Non-Compliance der Plattformen entgegennehmen und will den User:innen bei Auseinandersetzungen mit Plattformen die Möglichkeit der Mediation aufzeigen.

Was genau harmful online content ist, wird in Head 49A geregelt. Bestimmte Kategorien von Inhalten, wie strafrechtlich relevante Aussagen, die essstörungs- oder suizidverherrlichend oder bedrohend sind, sollen hierunter zu fassen sein. Die Commission kann jedoch auch weitere Kategorien hinzufügen.

Eine der wichtigsten Kompetenzen in Bezug auf Plattformregulierung ist zu bestimmen, wer Adressat der Codes ist, wer also Teil der designated online services sein soll. Letztere können einzeln oder in Kategorien bestimmt werden, wobei verschiedene Aspekte einbezogen werden sollen. Diese Kategorien werden dabei nicht nur an User:innenzahlen geknüpft, sondern sollen u. a. davon abhängen, wie wahrscheinlich es ist, dass User:innen mit harmful online content konfrontiert werden, inwiefern automatisierte Systeme zum Einsatz kommen und ob sich unter den User:innen auch Minderjährige befinden. Durch den Aspekt der Wahrscheinlichkeit soll gewährleistet werden, dass eine effektive Regulierung der in diesem Sinne “gefährlichsten” Akteure stattfindet.
Neue Regeln für neue Medien
Dass Plattformen und Broadcasting Services nun zusammen durch die Media Commission reguliert werden sollen, zeigt, wie wichtig das Medium der Online-Plattform für den irischen Gesetzgeber geworden ist. Gerade deshalb müssen diese auf einer Ebene mit anderen, traditionellen Medien reguliert werden, denn längst unterscheiden sie sich in ihrer Wirkung und Wichtigkeit nicht mehr von Radio und Fernsehen, zumal auch diese Angebote online präsent sind und sich Fernsehsender auf Plattformen darstellen und Inhalte produzieren.

So ähnlich die Medien jedoch bezüglich ihrer Wichtigkeit sind, so unterschiedlich muss ihre Regulierung sein. Vor allem die Integrierung von User Generated Content führt zu dieser Differenzierung, denn Plattformen wählen nicht im Vorhinein Beiträge aus, so wie Fernsehnachrichten ihre Videobeiträge auswählen. Und auch die Plattformen untereinander unterscheiden sich in ihren Funktionen, ihrem Aufbau und ihrer Zielgruppe so sehr, dass es schwer vereinbar sein kann, diese durch Regulierung gleichzusetzen.

Dass eine nuancierte Regulierung notwendig ist, zeigt auch das Projekt zur Content Moderation kleinerer und mittlerer Plattformen. Die verschiedenen Plattformen haben unterschiedliche Zwecke und Ressourcen für ihre Content Moderation. Regulating by Size kann dazu führen, dass Plattformen ihr Wachstum bremsen, um unter einer gewisse Nutzer:innenanzahl zu bleiben und damit von Regulierung nicht erfasst zu sein. Gleichzeitig setzen kleine Plattformen auch gesetzliche Vorgaben freiwillig um, von denen sie eigentlich nicht betroffen sind, und integrieren sie in das jeweilige komplexe Moderationssystem, weil die Vorgabe für sie Sinn ergibt. Dass auf diese Besonderheiten bei der Anwendung des Rechts Rücksicht genommen werden soll, ist in Head 9, Section 5 des Entwurfs festgehalten.
Kritik
Die Irish Human Rights and Equality Commission (IHREC) kritisierte, der Entwurf sei vage und es mangle insofern an Rechtssicherheit. Die IHREC sieht die Möglichkeit der Verbesserung des Gesetzes durch konsequente Verweise auf Menschenrechte. Auch die eher vage Definition des harmful online content bereitet ihnen Sorgen, da das Gesetz nicht vereinbar mit anderen Rechten wie der Meinungsfreiheit oder dem Recht auf Privatsphäre sowie dem Datenschutz sein könnte, und um sicherzustellen, dass der Begriff nicht missbraucht werde. Zudem schlägt sie vor, weitere Kategorien wie Desinformation, schädliches Verhalten und Hassrede bezüglich Rassismus/Sexismus und Ableismus aufzunehmen.

Auch die Law Society Commission sieht die Notwendigkeit, auf die ECHR zu verweisen. Weiter merkte sie an, bei der Definition von Cyberbullying sei auf die Perspektive des Betroffenen abzustellen und somit stärker zwischen Kindern und Erwachsenen zu differenzieren.

Der Irish Council for Civil Liberties hingegen zweifelt an der Verhältnismäßigkeit des Entwurfs, da nicht-illegale Inhalte reguliert würden. Auch sie zweifelt zudem daran, dass die aktuellen Definitionen ausreichen, und verlangen mehr Rechtssicherheit.

Der parlamentarische Ausschuss für Kunst, Medien und Kultur veröffentlichte nun seine Vorschläge zur Änderung des Entwurfs, nachdem es Vertreter:innen mehrerer Plattformen, NGOs und Aktivist:innen wie Frances Haugen angehört und festgestellt hatte, die Plattformen seien ihrem Eindruck nach nicht sehr interessiert daran gewesen, bei der Gesetzgebung zu kooperieren. Die Expert:innen schlugen etwa ein Mindestalter für Kinder vor, um soziale Netzwerke nutzen zu können, und die Einführung weiterer Kategorien unter den Begriff des harmful online content.
Fazit
Auf diese Forderungen könnte ein Commissioner eingehen. Insbesondere bietet sich die Möglichkeit, auf Augenhöhe mit den Plattformen zu kommunizieren und mit den vorhandenen Content-Moderationssystemen zu arbeiten. Hierzu bedarf es allerdings Auskunftspflichten, Transparenzpflichten und der Kooperationsbereitschaft der betreffenden Plattformen. Mit Blick darauf, dass sich Plattformen eher nicht als kooperierend und transparent erwiesen haben, sind solche Pflichten notwendig und keinesfalls unverhältnismäßig. Gerade durch einen gezielten Ansatz der Regulierung können diese Maßnahmen auf eher problematische Plattformen begrenzt werden. Das fördert die Diversität einer Plattformlandschaft, ohne vom Ziel der Regulierung gänzlich abzurücken. Auch der Druck einer zentralen Stelle sowie der Vorteil, dass diese einen fachübergreifenden Überblick hat, können sich positiv auf die Durchsetzung der Regulierung auswirken. Dies ist entscheidend für eine effiziente Rechtsdurchsetzung.

Gleichzeitig kann im Aufbau einer staatlichen Regulierung durch eine Commission ein Gegenentwurf zum Modell der demokratischen Regulierung durch Social Media Councils gesehen werden, welche die Regulierung bei den Unternehmen belässt und staatsfern neu organisiert. Ausführlich zu diesem Modell schreiben Matthias Kettemann und Martin Fertmann hier.

Photo by Megan Johnston on Unsplash

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