Vom „Vater“ zum „Rabenvater“ des Rundfunks: Wie die Presse über Hans Bredow im Rundfunkprozess 1934/35 berichtete

Eine Recherche in den digitalen Beständen des deutschen Zeitungsportals zeigt, wie schnell sich das Bild von Hans Bredow vom „Vater“ zum „Rabenvater“ des Rundfunks im Rundfunkprozess, der 1934/35 gegen ihn geführt wurde, wandelte.

Ein Beitrag von Clara Schütze und Hans-Ulrich Wagner

Hans Bredow – der Namensgeber des Leibniz-Instituts für Medienforschung – tritt am 30. Januar 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Reichs-Rundfunk-Kommissar zurück. Zu diesem Zeitpunkt würdigen viele Zeitungen seine Leistungen als „Vater des Rundfunks“. Nur wenige Monate später wird er verhaftet und sitzt 1934/35 zusammen mit ehemaligen Intendanten und Direktoren im sogenannten „Großen Rundfunkprozess“ auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Korruption und Begünstigung vor. Die neuen nationalsozialistischen Machthaber wollen ihr Vorgehen gegen die früheren leitenden Mitarbeiter des Weimarer „Systemrundfunk“ legitimieren – für sie ist Hans Bredow schon jetzt ein „Rabenvater“ des Rundfunks. Eine Spurensuche in den digitalen Beständen des deutschen Zeitungsportals erlaubt Einblicke in die Berichterstattung über die Rundfunkpolitik der frühen NS-Diktatur.

In den im deutschen Zeitungsportal digitalisierten Pressebeständen aus ganz Deutschland wurden rund 120 relevante Artikel (aus über 3.000 Suchergebnissen) zu Hans Bredow ausgewertet. Sie bilden zwar nur einen kleinen Teil der damals erscheinenden Zeitungen ab, erlauben aber dennoch einen Einblick in die Berichterstattung der Zeit. Obwohl die Presse in der frühen NS-Zeit aufgrund ihrer dezentralisierten Organisationsstruktur nicht im selben Maße „gleichgeschaltet“ werden konnte wie etwa der Rundfunk, war das im März 1933 gegründete Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda dennoch von Anfang an bemüht, auch dort die Politik der nationalsozialistischen Regierung durchzusetzen und zu verbreiten. Dazu gehörten neue Voraussetzungen für die Berufszulassung als Journalist oder Verleger (Oktober 1933) und eine verstärkte Beschränkung und Kontrolle der zugänglichen Recherchequellen durch Erlasse und Anweisungen (ab Mai 1933), die es oppositionellen Stimmen zunehmend erschwerten, veröffentlicht zu werden.

In der Berichterstattung über den ehemaligen Staatssekretär Hans Bredow zeichnen sich vier verschiedene Phasen ab – von seinem Rücktritt über den Skandal, der zu seiner Verhaftung führte, zum propagandafreundlich inszenierten Beginn des Rundfunkprozesses, welcher schließlich einen weit weniger fulminanten Ausklang fand.

Rücktritt als Statement?

Der geschichtliche Einschnitt, den die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 darstellte, wirkte sich auch auf den Lebenslauf Hans Bredows aus, der zum Ende des Monats von seinem einflussreichen Amt zurücktrat. Mehrere Zeitungen griffen diese Nachricht auf und äußerten sich überwiegend wertschätzend. Durch sein Ausscheiden „verliert der deutsche Rundfunk eine Persönlichkeit, die die Ausgestaltung des Rundfunkwesen in Deutschland und der ganzen Welt entscheidend beeinflusst hat“, schreibt beispielsweise der Stadtanzeiger für Castrop-Rauxel (13.2.1933) und verweist damit auf Bredows lange Karriere im Aufbau des deutschen (Rund-)Funksystems. Überwiegend werden „persönliche Gründe“ für seinen Rücktritt zitiert, doch die Buersche Volkzeitung (10.2.1933) deutet diesen Schritt auch als „eine Demonstration Bredows gegen eine politische Instrumentalisierung des Rundfunks“. Er habe sich „immer bemüht, die Personalpolitik und Programmgestaltung nicht in die Abhängigkeit bestimmter Parteien oder Weltanschauungen geraten zu lassen“ und habe durch seinen Rücktritt gezeigt, dass er „nicht gewillt ist, mit den Nationalsozialisten intim zusammenzuarbeiten“. Darin wird sowohl eine Wertschätzung für die Bemühungen Bredows deutlich als auch eine Abneigung gegen Versuche der NS-Funktionäre, den Rundfunk nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Im Kreuzfeuer der Korruptionsvorwürfe

Wenige Monate später im August 1933 landen zahllose empörte Berichte von angeblicher Korruption und Veruntreuung durch die ehemaligen Rundfunkleiter auf den Titelseiten und die Einschätzungen klingen deutlich anders: Von einem „Korruptionssumpf“ (u. a. Hamburger Tageblatt, 2.8.1933) ist die Rede, von „skandalösem Missbrauch“ (Langenberger Zeitung, 4.8.1933) und „verschwenderischer Misswirtschaft“ (Buersche Zeitung, 4.8.1933). Hans Bredow tritt häufig neben anderen Kollegen auf, denen als „hundsgemeine Schieber und Betrüger am deutschen Volk“ (Biberacher Zeitung, 21.8.1933) Ähnliches vorgeworfen wird. Sie sollen sich u. a. gegenseitig horrende Gehälter genehmigt, befreundete Künstler bevorzugt und persönliche Ausgaben aus Rundfunkmitteln finanziert haben, alle wären sie eine „Gemeinschaft von Gaunern zur krassen, egoistischen Ausbeutung der Hörergebühren für ihre größenwahnsinnigen Luxusbedürfnisse“, so die Biberacher Zeitung.

Vielfach wird Bredow in dieser Veröffentlichungswelle aber auch persönlich angegriffen, wenn etwa das Tageblatt Aufwärts! (5.8.1933) schreibt, er habe „in unverantwortlichem Eigennutz seine unter dem marxistischen Regime aufgebaute Machtstellung zu einer Geldmacherei mißbraucht“. Immer wieder greifen die Artikel dabei auf seine schon zu dieser Zeit geläufige Bezeichnung als „Vater des Rundfunks“ zurück und nehmen sie zum Aufhänger für höhnische Kommentare, wie dass hier das „Kind für den Vater verdienen musste“ (Buersche Zeitung, 4.8.1933) und sich der „Vater“ an den Leistungen des „Kindes“ bereicherte (Langenberger Zeitung, 4.8.1933).

Die Veröffentlichungen fügen sich passend ein in die Gleichschaltungs- und „Säuberungs“-Aktionen des neuen Ministers für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, der mit der Absicht, „rücksichtslos aufzuräumen, daß nicht einmal der Geruch in den Funkhäusern zurückbleibt“, zitiert wird (Hamburger Tageblatt, 2.8.1933). In Zitaten wie diesem wird bereits die deutliche Verschärfung des Tonfalls deutlich, die in allen untersuchten Artikeln dieser zweiten Phase zu finden ist. An entsprechenden Aussagen beteiligen sich auch Redaktionen, die sich zum Zeitpunkt des Rücktritts noch wertschätzend zu Bredow geäußert hatten (z.B. die Bergedorfer Zeitung, Buersche Zeitung). Bredow selbst protestiert gegen diese Behandlung und verlangt die Freilassung seiner verhafteten Rundfunkkollegen – oder andernfalls die eigene Verhaftung. Diese Forderung erscheint unter der Überschrift „Bredow will auch ins Konzentrationslager“ in mehreren Kurzberichten (u.a. Deutsche Reichzeitung, 9.8.1933). Auch seine tatsächliche Verhaftung Ende Oktober 1933 findet Erwähnung, dabei benennen ihn einige Berichte als den „Hauptverantwortlichen in der Rundfunkaffäre“ (Bergedorfer Zeitung, 25.10.1933).

Groß inszenierter Prozessbeginn

Obwohl sein Name im darauffolgenden Jahr nur wenig in der analysierten Presse auftaucht, scheint das Interesse an der vermeintlichen Korruption nicht abgerissen zu sein. Denn als am 5. November 1934 der „große Rundfunkstrafprozess“ gegen Bredow und seine Kollegen (u. a. den ehemaligen Geschäftsführer der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft, Kurt Magnus, und den vormaligen Intendanten der Berliner Funk-Stunde, Hans Flesch) beginnt, ist die öffentliche Aufmerksamkeit groß: Nicht nur herrscht „starker Publikumsandrang“ im Sitzungssaal, es werden vor Ort auch Mikrofone installiert und Teile der Verhandlung auf Schallplatten aufgenommen. Dazu ist angedacht, einen Zusammenschnitt ebendieser Aufzeichnungen im Radio zu senden – zu Propagandazwecken, wie das in Frankreich erscheinende Pariser Tageblatt (14.12.1934) spekuliert.

Dementsprechend detailliert ist vielfach die Berichterstattung von den ersten Prozesstagen, wenn sie es auch selten auf die Titelseiten schafft. Der tatsächliche Inhalt der Verhandlungen bietet allerdings weniger Material für Sensationsberichterstattung als vielleicht zuerst angenommen. Die Prozessthemen drehen sich vor allem um wirtschaftliche und organisatorische Aspekte der Rundfunkanstalten, politische Diskussionen scheinen weniger eine Rolle zu spielen oder wurden teils von der Staatsanwaltschaft explizit ausgeschlossen (Kölnische Zeitung, 19.1.1935). Bredow und seine Verteidigung betonen und rechtfertigen Bredows Leistungen beim Aufbau des Rundfunks. Darüber hinaus tritt er weiterhin für die politische Neutralität des Rundfunks ein: „Meine Tätigkeit ist gerade in der jetzigen schwierigen Zeit nur möglich, wenn ich völlig unabhängig von jeder politischen Parteiorganisation arbeiten kann“ (Kölnische Zeitung, 19.1.1935).

Die Bewertung der Person Bredow fällt unterschiedlich aus: Einige Publikationen unterstellen ihm, „in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben, da [ihm] der persönliche Vorteil wichtiger war als die pflichtgetreue Verwaltung des Amtes“ (Der Führer, 3.11.1934); andere wiederum werfen die Frage auf, wie jemand so Verdientes bloß in die ihm zur Last gelegten Geschäfte verwickelt gewesen sein kann (Sächsische Volkszeitung, 7.11.1934).

Mitte Dezember 1034 mischt sich der Reichssendeleiter Eugen Hadamovsky ein und veröffentlicht unter der Überschrift „Ich klage das System an!“ einen Artikel, der in vielen Zeitungen abgedruckt wird (u. a. Langenberger Zeitung, 12.12. 1934). In einem deutlich aggressiven und propagandistischen Ton klagt er darin titelgemäß das „System Bredow“ an, das System „der politischen Verlotterung und Pfründenwirtschaft, der jüdischen Versippung und des Kulturbolschewismus, der Profitjägerei und Dividendengesinnung, der Sabotage an der nationalsozialistischen Erhebung“. Die „Rabenväter des Rundfunks“, zu denen Hadamovsky Bredow ebenso wie Flesch und Magnus zählt, hätten „den Rundfunk in Deutschland auf ein Jahrzehnt ruiniert“. Wieder wird dieses Verhalten aus dem Exil heraus durch das Pariser Tageblatt (14.12.1934) kommentiert; es sieht in Hadamovskys Artikel einen Versuch, angesichts der „Pleite des Rundfunkprozesses“ die bislang gescheiterte Propagandafunktion des Schauprozesses doch noch herzustellen, indem durch Beeinflussung der öffentlichen Meinung Druck auf das Gericht ausgeübt würde.

Ein überraschend ruhiger Ausklang

Trotzdem ebbt das öffentliche Interesse am noch laufenden Prozess in den folgenden Monaten ab, die Mikrofone werden wieder abmontiert und nach jetzigem Kenntnisstand wurden die Tonaufnahmen nie, wie ursprünglich angedacht, als Zusammenschnitt gesendet. Ebenso findet sich deutlich weniger Berichterstattung in dieser vierten Phase ab Frühjahr 1935, hin und wieder werden allerdings kürzere Updates zu Meilensteinen gedruckt, wie etwa dem Strafantrag durch die Staatsanwaltschaft. Ende April erscheint ein Artikel von NSDAP-Mitglied und Rundfunkkommentator Heinz von Fehrentheil, in dem er moniert, dass der Prozess zu sehr nach der alten „volksfernen, liberalistischen Gesetzgebung“ statt nach nationalsozialistischem Recht verlaufe. Der Artikel wirft Bredow die Sabotage der Nationalen im Rundfunk vor, wohinter er allerdings mehr ökonomische als politische Motive sieht (u. a. Unterschwäbische Tagespost, 25.4.1935).

Mitte Juni 1935 werden die Urteile veröffentlicht: Hans Bredow wird zu sechs Monaten Haft und insgesamt 5.000 Reichsmark Geldstrafe wegen „öffentlicher Untreue, begangen in vier Fällen, sowie Beihilfe zum Parteiverrat“ verurteilt. Die gesamte Strafe gilt durch die Untersuchungshaft als abgegolten.

Laut der Berichterstattung würdigt der zuständige Staatsanwalt die Leistungen Bredows noch einmal explizit, kritisiert aber sein positives Verhältnis zu Hans Flesch, der jüdische Wurzeln hatte. Bredow hätte wissen müssen, dass „er es bei Flesch mit einer Persönlichkeit zu tun hatte, die die besten Anlagen zum Hochstapler besaß“ (u. a. Hallische Nachrichten, 25.4.1935). Darüber hinaus widmet die Kölnische Zeitung (14.6.1935) einen Absatz dem erklärten Ziel, die von der ausländischen Presse geäußert Ansicht zu widerlegen, „daß hier politisch mißliebigen Personen um ein Nichts der Prozeß gemacht werden sollte, lediglich aus politischen Gründen“. Diese Aussagen lassen auf entsprechende Berichte in ausländischen Publikationen zum Rundfunkprozess schließen, welche allerdings nicht über die genutzten Quellen zugänglich waren.

In der folgenden Zeit wird es still in der Presse um die Person Hans Bredow. Nur noch gelegentlich wird sein Name angeführt, beispielsweise um den alten „Rundfunk des Korruptionssystems der Magnus, Bredow, Flesch und Genossen“ mit den Grundsätzen des neuen nationalsozialistischen Rundfunksystems zu kontrastieren (Hakenkreuzbanner, 17.12.1935). Doch auch solche sekundären Bezugnahmen auf den „alten“ Rundfunk verschwinden in den folgenden Jahren. Über die teilweise Aufhebung des ergangenen Urteils in einem Revisionsverfahren vor dem Leipziger Reichsgericht im Frühling 1937 wird nur vereinzelt berichtet (Nationale Rundschau, 1.3.1937).

Zwischen 1938 und 1944 findet sich in den digitalen Beständen des deutschen Zeitungsportals keine Berichterstattung mehr zu Hans Bredow. Der erste Beleg nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft stammt vom 22. Mai 1945. In Wiesbaden, wohin sich Hans Bredow zurückgezogen hatte, regelt die US-amerikanische Militärregierung den Neuaufbau: Hans Bredow wird, so die Meldung, zum Regierungspräsidenten von Wiesbaden ernannt (Eibenstocker Tageblatt, 22.5.1945). Der inzwischen 66-Jährige übernimmt für kurze Zeit politische Verantwortung; vor allem aber steht er dem demokratischen Neuaufbau des Rundfunks beratend zur Seite und wird als „Vater des Rundfunks“ gefeiert.

Veröffentlicht am: 25.07.2025

Forschungsprogramm:

FP 3 Wissen für die Mediengesellschaft

Kompetenzbereich:

Kompetenzbereich Mediengeschichte

Beteiligte Personen:

Newsletter

Infos über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und Publikationen des Instituts.

Jetzt abonnieren