Wo bleibt Europa in der digitalen Welt der Tech-Giganten aus den USA und China? Wie können wir die Kontrolle über digitale Infrastrukturen, Daten und Technologien und somit unsere Souveränität zurückgewinnen? Weist das gegenwärtige Recht die Konzerne in die Schranken oder blockiert es nötige Innovationen? Wie können sich Demokratien in der digitalen Welt besser schützen und ihre Werte bewahren? Diesen Fragen widmet sich der Gipfel zur digitalen Souveränität Europas am 18. November.
Matthias C. Kettemann diskutiert im Interview mit Barbara Zeithammer und Hörer*innen in der Radiosendung „Punkt eins“ des ORF über Europas Ringen um Selbstbestimmung in der digitalen Welt und erläutert, was Recht und Ethik beim Umgang mit neuen Technologien leisten können.
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Ankündigung des ORF
Neue Technologien sind weder gut noch schlecht, aber auch nicht neutral, betont Matthias C. Kettemann und so wie technologischer Fortschritt das Ergebnis bewusster Entscheidungen ist, verlangt jede technologische Entwicklung eine entsprechende ethische Reflexion, die auch den sozialen, politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen Recht trägt. Was können Ethik und Recht also leisten, wenn es um die Einschätzung der Chancen und Risiken neuer Technologien geht?
In den letzten Jahren hat die EU die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die digitale Welt geschaffen und mit Digitalgesetzen wie dem Data Act, dem Digital Services Act (DSA), dem Digital Markets Act (DMA) und dem AI-Act zentrale Rechtsgrundlagen für Plattformen und ihre Verantwortung, Datenschutz, Online-Shopping, social media und den KI-Einsatz geschaffen; der Digital Services Act gilt sogar als „Grundgesetz für das Internet“.
Doch bei social media und KI kamen diese Regulierungen zu spät, sagt Matthias C. Kettemann. Bei der Quantentechnologie, die noch im Entstehen ist, haben wir dagegen „alle Chancen“ gute Regeln zu entwickeln, sagt der Rechtswissenschaftler, der das Innsbruck Quantum Ethics Lab IQEL leitet – und zwar solche Regeln, die einerseits Innovationen fördern, andererseits aber negative Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft reduzieren.
Die EU-Digitalgesetze wurden unter anderem immer wieder kritisiert, weil sie zu wenig Spielraum für Innovation ließen und zu viel Bürokratie brächten. Für Mittwoch, 19. November, hat die EU-Kommission ein umfangreiches Gesetzespaket angekündigt, das unter dem Titel „Digitaler Omnibus“ nichts Geringeres als eine Generalüberarbeitung der Digitalgesetze vorsieht. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen von einem Rückschritt und kritisieren eine Aushebelung von Grundrechten und Schutzmaßnahmen gegen digitale Bedrohungen zugunsten der Tech-Giganten. Die Financial Times hatte jüngst über monatelangen Druck durch die US-Technologieriesen und die Trump-Regierung berichtet.
Ein neuer Vorschlag der EU-Kommission von Mittwoch, 12. November, sieht indes unter dem Motto „Europäischer Demokratieschild“ zahlreiche neue Maßnahmen „zur Stärkung, zum Schutz und zur Förderung starker und widerstandsfähiger Demokratien“ vor.
In welche Richtung wird der „digitale Omnibus“ Europa bewegen? Welche Wege führen aus der Abhängigkeit der US-amerikanischen und chinesischen Technologieriesen in die Digitale Souveränität Europas? Wo lauern die Gefahren, vor denen der „Demokratieschild“ schützen soll? Aus welchen Fehlern bei der Regulierung von Plattformen und KI müssen wir lernen und welche Regeln braucht das Quantenzeitalter?