Im Zentrum des Erkenntnisinteresses des Forschungsprogramms 2 stehen Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen, die im Zuge der Digitalisierung entstehen.
Gesellschaftlich relevante Kommunikation verlagert sich zunehmend in privat geordnete und algorithmisch gestaltete Onlinedienste und -plattformen. Diese neuen Foren und Praktiken der gesellschaftlichen Selbstverständigung beeinflussen demokratische Prozesse und die Verteilung von Rechten und Ressourcen in digitalen Konstellationen.
Mitglieder des Forschungsprogramms untersuchen die Regeln der Kommunikationsmacht und der Macht der kommunikativen Regeln entlang von drei zentralen Leitfragen:
- Welche normativen Faktoren können in digitalen Kommunikationsräumen unterschieden werden und welche Regelungsstrukturen bilden sie im Hinblick auf die (auch algorithmischen und Design-)Praxen von Akteuren (Strukturperspektive)?
- Durch welche Prozesse und Praktiken entstehen Regeln in und für digitale Kommunikationsräume, darunter das Digitalpaket der EU, und welche Wechselwirkungen existieren zwischen Regelbildungsprozessen innerhalb bzw. außerhalb der Räume (Prozessperspektive)?
- Welche Akteure sind in welchen Konstellationen Teil von Regelbildung und/oder Regelungsstrukturen, wie sind die entsprechenden Machtverhältnisse konstituiert und wie werden darin Verantwortung und Legitimität hinterfragt und rekonstituiert (Akteursperspektive)?
Im Zentrum des Erkenntnisinteresses von Forschungsprogramm 2 stehen Fragen sozialer Ordnung in digitalen Kommunikationsräumen. Das Programm adressiert dazu Regelungsstrukturen und Regelbildung aus sozial- und rechtswissenschaftlicher Perspektive. Soziale Medien und andere Informations-Intermediäre, ob als Web-Angebote oder Apps, erleichtern die Teilhabe an öffentlicher Kommunikation und schaffen neue Foren und Praktiken der gesellschaftlichen Selbstverständigung. Sie ermöglichen „niedrigschwellige“ Formen persönlicher oder kollaborativer Öffentlichkeiten, die die Grenzen zwischen privat-persönlicher und öffentlicher Kommunikation verschieben. Zugleich werfen Phänomene wie „Hate Speech“ oder die Interaktion mit Software, etwa in Form von Algorithmen oder „Social Bots“, drängende Fragen nach den Regeln auf, die dieses kommunikative Handeln beeinflussen, respektive an denen es sich orientieren sollte.
Analytisch lassen sich digitale Kommunikationsräume und ihre Regeln aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten, die sich in den grundlegenden Forschungsfragen des Programms spiegeln: Welche normativen Faktoren können in digitalen Kommunikationsräumen unterschieden werden und welche Regelungsstrukturen bilden sich im Zusammenspiel dieser Faktoren (Strukturperspektive)? Durch welche Prozesse und Praktiken entstehen Regeln in und für digitale Kommunikationsräume und welche Wechselwirkungen existieren zwischen Regelbildungsprozessen innerhalb und außerhalb der Räume (Prozessperspektive)? Welche Akteure sind in welchen Konstellationen Teil von Regelbildung und/oder Regelungsstrukturen, wie sind die entsprechenden Machtverhältnisse konstituiert und wie werden darin Verantwortung und Legitimität zugeschrieben (Akteursperspektive)?
Bisherige Vorarbeiten zeigen, dass aus Strukturperspektive eine Differenzierung von Gesetzesrecht, Verträgen, sozialen Normen und technischem Code als normativen Faktoren analytisch belastbar und empirisch ertragreich ist. Diese Faktoren bilden komplexe, in sich nicht widerspruchsfreie Regelungsstrukturen etwa im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit in sozialen Medien. Aufbauend auf der Differenzierung der vier normativen Faktoren soll das Forschungsprogramm die auch für die Weiterentwicklung von Internet Governance relevante Frage untersuchen, wie sich normative Strukturen in solchen intermediären Organisationen herausbilden, die für die oben genannten Phänomene zentrale Positionen in der entsprechenden Akteurskonstellation besetzen – also etwa Suchmaschinen oder soziale Netzwerkseiten.
Sprecher: Prof. Dr. Matthias C. Kettemann, LL.M. (Harvard), Dr. Tobias Mast