Erkenntnisse ohne Scheuklappen: Interdisziplinarität als wissenschaftliche Superkraft

In seiner Forschung verbindet das Institut verschiedene wissenschaftliche Disziplinen: Im Vordergrund stehen die Perspektiven einer empirisch fundierten Sozialwissenschaft sowie einer auf Regulierungsprozesse ausgerichteten Rechtswissenschaft; hinzu treten seit einigen Jahren Perspektiven aus der Informatik. Die Verbindung dieser Perspektiven ist eine der Besonderheiten, die das Institut gegenüber anderen Forschungseinrichtungen in Deutschland und im Ausland auszeichnen.

von Stephan Dreyer

Disziplinen sind die ordnungsstiftenden Kategorien der Wissenschaft. In ihnen erfolgen die Diskussionen, Debatten und Weiterentwicklungen des „Fachs“, und über die disziplinär ausgerichteten Universitäten erfolgt die curriculare Rückbindung und Weiterentwicklung (auch) der entsprechenden fachlichen Ausbildung.

Viele große Fragen unserer Zeit wie Digitalisierung, Mediatisierung oder gesellschaftlicher Zusammenhalt aber passen sich selten den klassischen Wissenschaftsdisziplinen an. Sie sind komplex und vielschichtig und rufen nach Perspektiven und Antworten, die weit über ein einzelnes Fachgebiet hinausblicken. Unabhängige  Forschungseinrichtungen können hier flexibler und fachübergreifend mit ihrer strategischen Ausrichtung, den Denominationen ihrer Forschungsstellen und ihren Einstellungspraktiken verfahren. Dass das so entstehende kreative Vexierspiel der verschiedenen Perspektiven auf gleiche Forschungsgegenstände besondere Zugänge und Erkenntnisse zur Folge haben kann, ist die erste Erkenntnis der sogenannten „Interdisziplinaritätstheorie”.

Voraussetzung gelingender fächerübergreifender Zusammenarbeit ist neben der Offenheit für andere wissenschaftliche Perspektiven die Exzellenz im jeweils eigenen Fach – „standing on the shoulders of giants“. Interdisziplinarität ist seit spätestens 1979 Teil der DNA des Hans-Bredow-Instituts: Mit der Verbindung kommunikations- und rechtswissenschaftlicher Perspektiven entstanden früh interdisziplinäre Forschungsaktivitäten und Arbeitsformen, die sich mit Blick auf die wissenschaftliche Ausdifferenzierung über die Jahre um Expertise aus den Bereichen Medienpsychologie, Medienökonomie, Medienpädagogik, Mediengeschichte und zuletzt Computational Social Science und Informatik erweiterte. Durch die verstetigte disziplinenübergreifende wissenschaftliche Leitung war und ist der interdisziplinäre Zugang des Instituts zu „seinen“ Forschungsgegenständen und -themen nicht nur eine strategische Absicht, sondern ständig gelebte Forschungspraxis.

Die Offenheit gegenüber anderen Disziplinen und Zugängen und die enge Zusammenarbeit sowie der Austausch sind das Multitool des HBI, mit dem sich gesellschaftliche Transformationen und Herausforderungen ganzheitlicher beobachten und analysieren lassen. Durch die Verzahnung von Denkweisen, Methoden und Wissensbeständen der beteiligten Disziplinen können neue (theoretische oder konzeptionelle) Ideen und innovative, auch methodische Ansätze entwickelt und weiterentwickelt werden.

Mit interdisziplinär funktionierenden Brückenkonzepten und -begriffen (z. B. kommunikative Figuration, Meinungsbildung), mit Mixed Methods-Innovationen oder mit regelmäßigen fachübergreifenden Kolloquien und Klausuren hat das Institut über die individuelle Öffnung der Forschenden hinaus auch institutionelle Strukturen, Arbeitsformen und Orte geschaffen, die Anreize für ganzheitlichere Zugänge zu Forschungsfragen und -objekten setzen. Mit diesem Interdisziplinaritätsverständnis ist das HBI gestern, heute und morgen in der Lage, einen umfassenderen Blick auf die Herausforderungen unserer Zeit zu werfen und gesellschaftlich relevantere Forschungsergebnisse zu produzieren.

Bild: Alle Disziplinen an einem Tisch: das Forschungskolloquium des Instituts im Mai 2016 (Foto von Mascha Brichta)

Letzte Aktualisierung: 09.06.2025

Forschungsprogramm:

FP 3 Wissen für die Mediengesellschaft

Beteiligte Personen:

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