Wenn Filter das Körperbild verzerren: Gutachten für die KJM untersucht Kennzeichnungspflicht für manipulierte Social-Media-Fotos

Hamburg, 05.02.2025. Der Beauty-Filter macht’s möglich: Makellose Gesichter und gestählte Körper überschwemmen den Social-Media-Feed von Kindern und Jugendlichen. Diese Bilderflut führt zu Vergleichen, bei denen das eigene Spiegelbild oft nicht mithalten kann. Laut Studien kann das Körperbildstörungen und Essstörungen begünstigen. Eine häufig diskutierte Lösung ist die Kennzeichnung bearbeiteter Fotos. Möglicherweise ist diese Lösung aber nicht so verlockend einfach wie sie klingt. Vielversprechender könnte sein, bei den Algorithmen der Plattformen anzusetzen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten des Leibniz-Instituts für Medienforschung | Hans-Bredow-Instituts (HBI) im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM).

Dr. Marc Jan Eumann, Vorsitzender der KJM und Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz:  „Mit großer Reichweite geht auch große Verantwortung einher. Algorithmen greifen dort an, wo das Gehirn junger Menschen noch nicht ausgereift ist, und lösen Dopamin-Ausschüttungen aus. Angesichts der weitreichenden gesellschaftlichen Auswirkungen stellt sich die Frage, ob die Haftungsprivilegierung von Plattformen im Jahr 2025 noch zeitgemäß ist. Ich antworte mit einem klaren Nein. Es ist an der Zeit, dass Plattformen aktiv Verantwortung für Inhalte übernehmen, um junge Nutzer*innen zu schützen.“

Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher für Medienrecht und Media Governance (HBI): „Kennzeichnungspflichten sind sehr anspruchsvolle Steuerungsinstrumente. Wenn das Ziel ist, die Unzufriedenheit junger Menschen mit dem eigenen Körper nicht weiter zu verstärken, sollten wir unbedingt auch alternative Ansätze diskutieren. Vielversprechend sind dabei Möglichkeiten zur Verbesserung der altersangemessenen Gestaltung von Social-Media-Plattformen.“

Eva-Maria Sommer, Direktorin der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH): „Kinder haben ein Recht auf Teilhabe an digitalen Medien – und zwar ohne, dass sie dadurch zu Schaden kommen. Die im Gutachten aufgezeigten Alternativen sind ein Angebot an die Branche, zügig gemeinsam nach den besten Lösungen zu suchen. Und nicht erst wieder abzuwarten, bis der Gesetzgeber einschreiten muss.“

Kennzeichnung bringt nicht den gewünschten Effekt

Insgesamt kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass eine effektive gesetzliche Kennzeichnungspflicht mit Blick auf mögliche Anwendungsbereiche und den bestehenden medienrechtlichen Ordnungsrahmen voraussetzungsvoll ist. Hinzu kommt, dass eine Kennzeichnung nach aktuellem Forschungsstand sogar gegenteilige Effekte bewirken könne, indem sie zu einer intensiveren Betrachtung markierter Inhalt führe. Das könne zu einer gesteigerten Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führen. Angesichts dieser Studienlage gewinnen alternative Regulierungsansätze an Bedeutung.

Anpassung der Empfehlungslogiken

Ein vielversprechender Ansatz setzt direkt bei den Plattformen an: So beeinflussen Social-Media-Plattformen durch ihre Empfehlungsalgorithmen das Körperbild junger Menschen, indem sie ähnliche, oft unrealistische Schönheitsideale verstärkt präsentieren. In der gezielten Anpassung dieser Algorithmen könnte eine wirksame Gegenmaßnahme liegen, um vielfältigere und realistischere Körperdarstellungen zu fördern. Plattformen könnten dies freiwillig oder im Rahmen des Digital Services Act (DSA) als Maßnahme einsetzen, etwa mittels optionaler Funktionen oder Hinweisen bei einseitiger Inhaltsauswahl. Zentral ist dabei, eine Balance zwischen Kinder- und Jugendmedienschutz und Informationsfreiheit zu finden.

Auf Basis der Ergebnisse wird die KJM nun erste Gespräche mit Plattformen und Gesetzgeber*innen führen, um die Erkenntnisse des Gutachtens vorzustellen.

Hier geht’s zum Gutachten.

Die Kommission für Jugendmedienschutz ist ein Organ der Landesmedienanstalten und ein Expertengremium aus Vertreter*innen von Bund, Ländern und Landesmedienanstalten. In Deutschland ist die KJM die zentrale Aufsichtsstelle für den Jugendschutz im privaten Rundfunk und Internet.

Kontakt bei Medien-Rückfragen

Dr. Marc Jan Eumann
Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)

Hanna Irabi
Referentin Öffentlichkeitsarbeit Jugendmedienschutz
Telefon:  +49 (0)30 2064690-59
Mail: kjm@die-medienanstalten.de
www.kjm-online.de ▪ www.die-medienanstalten.de

Letzte Aktualisierung: 05.02.2025

Newsletter

Infos über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und Publikationen des Instituts.

Jetzt abonnieren