Prof. Dr. Wiebke Loosen ist als Medienexpertin zu Gast im Medienpodcast „Nach Redaktionsschluss“ des Deutschlandfunks. Die Besonderheit des Formats: Hier bestimmen die Hörer*innen die Themen. In dieser Folge geht es um das Verhältnis zwischen Journalistinnen und Publikum. Hier geht es zur Podcastfolge.
Hörer Benedikt Herudek hat den Eindruck, dass journalistische Angebote häufig an den Bedürfnissen der Rezipientinnen vorbeigehen. Themen, die für Leserinnen, Hörerinnen und Zuschauerinnen relevant seien, stünden nicht genug im Mittelpunkt. Stattdessen erlebe er oft eine Berichterstattung, die bestimmte Meinungen und Weltbilder der Journalist*innen reproduziere. Woher kommt dieser Eindruck und wie ließe er sich ändern? Und gibt es eigentlich die Journalist*innen und die Bevölkerung? Holger Stark (ZEIT) diskutiert im Podcast mit Benedikt Herudek und Medienforscherin Wiebke Loosen.
Loosen beschäftigt sich am HBI intensiv mit der Transformation des Journalismus in einer sich verändernden Medienlandschaft und erforscht, wie sich Erwartungen des Publikums und journalistische Praktiken zueinander verhalten. Sie betont im Podcast, dass Journalist*innen in Deutschland grundsätzlich die gleichen Werte vertreten wie ihr Publikum – etwa Objektivität, Neutralität und Perspektivenvielfalt. Konflikte entstünden häufig nicht aus unterschiedlichen Grundhaltungen, sondern aus Differenzen bei der konkreten Umsetzung.
Müssen oder sollten Journalist*innen sich nach den Erwartungen des Publikums richten?
„Ich glaube, […], dass es zu gutem Journalismus auch dazu gehört, dass er tendenziell durchaus auch mal die Erwartung seines Publikums nicht erfüllt“, sagt Wiebke Loosen. Gerade im politischen Journalismus sei es wichtig, Themen aufzugreifen, die für die demokratische Meinungsbildung zentral sind. Dies lasse sich, so Loosen, als eine „duty to keep informed“ verstehen – eine Verantwortung, die wiederum auch auf der Publikumsseite zu beobachten ist.
Wer ist das Publikum?
Loosen weist darauf hin, dass sich der Blick auf das Publikum in den vergangenen Jahren stark verändert hat: Redaktionen denken zunehmend auch in Zielgruppen, und entwickeln Produkte nutzerzentriert. Sie betont damit die deutliche Veränderung in der Orientierung auf ein Publikum. „[D]ie Leser gibt es nicht“, sagt sie und ergänzt: „Und es redet ja auch kaum noch jemand, wenn man mit Journalisten spricht, […] vom Publikum, sondern da gibt es ganz unterschiedliche Begriffe.“ Gleichzeitig, so Loosen, hätten wir eben die Erwartungen an Journalismus und Journalisten, auch selbst eine Öffentlichkeit herzustellen.
Loosen bekräftigt, dass es wichtig sei, sich mit den Widersprüchen und Spannungen auseinanderzusetzen, die mit Zielorientierung und Nutzerzentrierung im Journalismus verbunden sind.