Medienbiografien von Kindern werden immer individueller

Hamburg, 26.11.2025. Die Medienwelten von Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Wie Medien das Aufwachsen begleiten und beeinflussen, ist dabei unterschiedlich. So zeigt etwa ein Vergleich einer Gruppe von Zehnjährigen von 2018 und 2023, dass dem ersten eigenen Smartphone nach wie vor eine zentrale Bedeutung zukommt. Die Nutzung einzelner Medien sowie die Abfolge ihrer Anschaffung oder Bereitstellung verlaufen jedoch unterschiedlich. Dies führt zu einer zunehmenden Pluralisierung der Medienensembles und zu individualisierten Medienbiografien von Kindern.

Dies ist das zentrale Ergebnis des Projekts „Connected Kids – Sozialisation in einer sich wandelnden Medien­umgebung“ (Conkids), für das Familien in den Großräumen Hamburg und Nürnberg über insgesamt sechs Jahre hinweg begleitet und interviewt wurden. Ein Projektteam des Leibniz-Instituts für Medienforschung (HBI) und der Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat sich angeschaut, wie Kinder und Jugendliche in einer mediatisierten Welt aufwachsen. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Die Projektergebnisse aus der zweiten Förderphase sind nun Open Access im Nomos-Verlag erschienen.

Kommunikation und Teilhabe erfolgen über Smartphones und soziale Medien

Im Mittelpunkt der jetzt veröffentlichten Teilstudie steht der Wandel online-bezogener Aushandlungsprozesse zwischen Kindern und ihren sozialen Domänen, insbesondere den gleichaltrigen Freundinnen und Freunden, den sogenannten Peers. Für die Teilhabe an der Peer-Kommunikation sind Smartphones und soziale Medien heute ein Muss. Zwar kommunizieren Kinder und Jugendliche weiterhin Face-to-Face, doch ein großer Teil des Austauschs findet online statt und nimmt zunehmend Zeit ein. In der frühen Adoleszenz wächst der Anteil peer-bezogener Medienpraktiken und der soziale Erwartungsdruck zur Nutzung von Social Media und Online-Games steigt. Diese Erfahrungen werden Teil von Aushandlungsprozessen und Identitätsentwicklung.

Peers und digitale Medien gewinnen früher und intensiver an Einfluss

Die Familie bleibt bis zur Adoleszenz die zentrale Sozialisationsinstanz, ihr Einfluss relativiert sich jedoch zunehmend durch den früher einsetzenden und stärkeren Einfluss von Peers und digitalen Medien. Zwar ist der wachsende Einfluss von Gleichaltrigen mit zunehmendem Alter nicht neu, doch findet dieser Wandel in mediatisierten Gesellschaften früher und intensiver statt. Digitale Kommunikation hat den Einfluss von Online-Freundschaften erweitert und räumliche Grenzen aufgehoben. Dadurch nimmt die Zahl gesellschaftlicher Einflüsse auf Kinder und Jugendliche zu, während der familiäre Einfluss anteilig abnimmt.

Prof. Dr. Rudolf Kammerl (FAU Erlangen-Nürnberg): „Peer-Beziehungen werden heute oft über permanente Online-Kommunikation gepflegt – ob über Messenger, WhatsApp oder später über Plattformen wie Instagram oder TikTok. Mit dem ersten eigenen Smartphone werden die Kinder Teil eines komplexen, weltweiten Kommunikationsgeflechtes, in dem sie sich rund um die Uhr mit Erwartungen von Freundinnen, Freunden und Internetanbietern auseinandersetzen müssen.”

Dr. Katrin Kreutz (geb. Potzel) (FAU Erlangen-Nürnberg): „Das Studiendesign mit zwei Kohorten hat es uns ermöglicht, die Veränderungen auf die medienbezogene Sozialisation nach fünf Jahren und diversen Veränderungen der Medienumgebung beispielsweise durch die Markteinführung von ChatGPT oder die COVID-Pandemie nachzuvollziehen.“

Die Bedeutung von Langzeitstudien erläutert Dr. Claudia Lampert (HBI): „Studien, die es erlauben, Familien über einen längeren Zeitraum zu begleiten, sind notwendig und wichtig, um zu verstehen, wie sich die Medienrepertoires von Kindern mit zunehmendem Alter und im Zuge digitaler Transformation und anderer gesellschaftlicher Ereignisse entwickeln, wie sich entsprechend ihre Mediennutzung verändert, aber auch, welche Bedeutung Medien innerhalb der Familie und der Peergroup zukommt und wie sich diese ‘Medien-Akteurs-Relationen‘ im Altersverlauf verschieben.“

Pressekontakt

Dr. Claudia Lampert, c.lampert@leibniz-hbi.de

Studie zum Download Open Access

Lampert, C., Potzel, K. & Kammerl, R. (Hrsg.) (2025): Sozialisation in einer sich wandelnden Medienumgebung. Zur Erweiterung und Veränderung des Beziehungsnetzwerks. (Schriftenreihe Medienerziehung | Media Education, Band 9] Baden-Baden: Nomos. doi.org/10.5771/9783748963301 E-Book Open Access verfügbar.

Projektteam

Dr. Claudia Lampert, Christina Leppin (HBI), Prof. Dr. Rudolf Kammerl, Dr. Katrin Kreutz (geb. Potzel), Saskia Draheim (FAU Erlangen-Nürnberg)

Weitere Studienergebnisse

Veröffentlicht am: 26.11.2025

Newsletter

Infos über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und Publikationen des Instituts.

Jetzt abonnieren