Soziale Medien: Schädlich genug für ein Mindestalter?

Dr. Stephan Dreyer ist im ARD-Podcast „Die Justizreporter*innen“ zu Gast und diskutiert mit den Reporter*innen Egzona Hyseni und Philip Raillon zum Thema Social-Media-Verbot für Kinder und Jugendliche. Er warnt vor unverhältnismäßigen Eingriffen und betont die Gefahr negativer Nebenwirkungen.

Stephan Dreyer erklärt, dass ein nationales Social-Media-Verbot, wie es in Australien beschlossen wurde, in Deutschland rechtlich nicht umsetzbar sei, da der europäische Digital Services Act (DSA) den Jugendschutz auf Plattformen abschließend regele und aufgrund des sogenannten Herkunftsland- oder Niederlassungsprinzips vor allem das irische Recht für große Anbieter gelte. So ist Irland das Sitzland großer Social-Media-Plattformen. Auf EU-Ebene sei ein solches Verbot dagegen denkbar, etwa durch eine Reform des DSA oder im Rahmen des geplanten Digital Fairness Act: „Von der Zuständigkeit her kann man sich das auf der EU-Ebene vorstellen. Zum Beispiel als einen reformierten Digital Services Act, wo eine entsprechende Vorschrift drin wäre.“

Ein Totalverbot für unter 16-Jährige hält er jedoch für problematisch. Die Datenlage, wie Social-Media-Nutzung und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zusammenhänge, sei nicht ganz klar beantwortbar und soziale Medien böten neben Risiken auch wichtige Funktionen für Informationsfreiheit und Teilhabe. „Ein Totalverbot ist ein schwerer Eingriff in die Informations- und Meinungsfreiheit von Kindern und Jugendlichen“.

Dass viele Eltern in Umfragen ein Social-Media-Verbot befürworten, kann Stephan Dreyer erst einmal nachvollziehen. Aber: „Das Problem ist nur, wir haben nicht nur Erziehungsrechte, sondern wir haben auch Erziehungspflichten […]. Und wenn Eltern dieser Pflicht nicht nachkommen wollen oder können, […] dann löst das normalerweise die Wächterfunktion des Staates aus. Also der Staat muss dann sozusagen an der Stelle der Eltern die Erziehung wahrnehmen. Aber dieses Wächteramt gilt nur soweit, dass man die Eltern wieder in die Lage versetzt, die Erziehungspflichten wieder übernehmen zu können. Und ein Verbot wäre ja genau das Gegenteil davon.“

Alterskontrollen seien technisch zwar möglich, aber, so Stephan Dreyer, leicht zu umgehen. Politisch seien Verbotsforderungen nachvollziehbar, oft aber Ausdruck einer „Moralpanik“. Er warnt vor unerwünschten Nebenwirkungen, etwa dass Jugendliche in weniger beobachtbare Räume ausweichen oder sich bei Problemen nicht mehr an Eltern oder Fachkräfte wenden.

Hier geht es zum Podcast.

Der Podcast „Die Justizreporter*innen“ ist der Jura-Podcast der ARD-Rechtsredaktion direkt aus Karlsruhe.

Letzte Aktualisierung: 25.09.2025

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