Wie können wir Software entwickeln, die sich nicht nur an Geschäftsmodellen, sondern auch am Gemeinwohl, an Nutzerinteressen und an der Medienregulierung orientiert? Coding Public Value (CPV) übersetzt Fragen des Medienrechts, der Nutzerorientierung und der Integration politischer und gesellschaftlicher Akteure in Ansätze und Methoden für ein verantwortungsvolles Software Engineering sowie in institutionelle, politische und regulatorische Empfehlungen im Bereich öffentlich-rechtlicher Medienplattformen.
Im Zentrum des Projekts „Coding Public Value“ steht die Entwicklung und Erprobung von Methoden für ein gemeinwohlorientiertes Software Engineering und der dazu passenden institutionellen, politischen und organisationalen Bedingungen für öffentlich-rechtliche Medienplattformen. Wie können die rechtlichen, politischen und nutzerorientierten Anforderungen an gemeinwohlorientierte öffentliche Kommunikation in Anforderungen, Methoden und Qualitätssicherungsverfahren für die Entwicklung von Software umgesetzt werden und welche institutionellen, politischen und organisationalen Bedingungen müssen erfüllt sein, um auf der Grundlage eines solchen gemeinwohlorientierten Software Engineerings öffentlich-rechtliche Medienplattformen zu betreiben?
Das Projekt bindet dazu in einem interdisziplinären Verbund Science & Technology Studies, Kommunikationswissenschaft, Rechtswissenschaft (dies ist Aufgabe des assoziierten Partners HBI) und evidenzbasierte Softwaretechnik zusammen.
Das Projekt wird eine Analyse von Stakeholdern im Mediensektor, der medienrechtlichen und regulativen Rahmenbedingungen und von Nutzungs- und Marktpotenzialen liefern. Zudem sind auch prototypische Umsetzungen vorgesehen.
Projektbeschreibung
Das Bayerische Forschungsinstitut für digitale Transformation (bidt) der Bayerischen Akademie der Wissenschaften fördert Projekte, die aktuelle Fragen des digitalen Wandels untersuchen sowie interdisziplinär und standortübergreifend sind. Kriterien für die Auswahl waren eine hohe wissenschaftliche Qualität, ein interdisziplinärer Zugang sowie die gesellschaftliche und politische Relevanz der vorgeschlagenen Themen. Pressemitteilung des bidt: https://www.bidt.digital/bidt-foerdert-neun-forschungsprojekte-zur-digitalisierung/.
Das Projekt liefert in drei Dimensionen einen gesellschaftlichen Beitrag:
- auf einer praktischen Ebene entwickelt das Projekt Methoden des gemeinwohlorientierten Software Engineering und prototypische Umsetzungen und trägt so zur Konkretisierung der gesellschaftlichen Debatte um alternative Medien- und Plattformtechnologien in Europa bei;
- auf einer politisch-regulativen Ebene entwickelt das Projekt Handlungs- und Umsetzungsempfehlungen und dazu passende Machbarkeitsanalysen, die politische Handlungsfähigkeit jenseits der Regulierung von digitalen Technologien aufzeigen;
- auf einer gesellschaftlich-öffentlichen Ebene führt das Projekt an Ko-Gestaltung orientierte Stakeholder-Multiloge durch, um öffentliches Engagement in die Entwicklung von technischen und regulativen Umsetzungsvorschlägen einzubinden.
Das Projekt ist darauf ausgelegt, medienpolitische Gestaltungsoptionen im Rahmen der Entwicklung konkreter technischer Umsetzungen in Prototypen und Vorgehensweisen zu entwickeln und zu evaluieren.
Das Leibniz-Institut für Medienforschung verantwortet das medienrechtliche Arbeitspaket: Den Kern des gesetzlichen Rahmens für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bildet neben den einzelnen gesetzlichen Grundlagen zur Etablierung der jeweiligen Anstalt (z. B. BRGesetz, SWR-StV) der öffentlich-rechtliche Programmauftrag in § 11 Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Im Bereich telemedialer Angebote sehen zudem §§ 11d, 11f RStV spezifische Anforderungen und Verfahren vor, die ein neues oder verändertes Online-Angebot von öffentlich-rechtlichen Anbietern durchlaufen muss. Die auf diese Weise entstehenden Angebotskonzepte enthalten eine Vielzahl bestimmter und unbestimmter Konzeptvorgaben und Selbstverpflichtungen, die sich jedoch in der Regel auf die inhaltliche Ausgestaltung des Angebots beziehen.
In dem medienrechtlichen Arbeitspaket wird deshalb der bestehende gesetzliche Rahmen dargestellt und es werden die derzeitigen unterschiedlichen inhaltsbezogenen Auftragsdimensionen identifiziert. Sie werden auf ihren Anwendungsbereich auf Content-Management und Distribution, Such- und Vorschlagssystemen und Filtertechnologien hin untersucht. Dabei werden verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Dimensionen spezifisch öffentlich-rechtlicher Angebote dieser Art herausgearbeitet. Auf der Ebene der Telemedienkonzepte werden die verfügbaren finalen Telemedienkonzepte nach § 11f RStV gesichtet und jene Formen von Selbstverpflichtungen aggregiert dargestellt, die sich dabei auf Ansätze und Anforderungen an algorithmische Selektionen beziehen.Die Arbeiten im Arbeitspaket münden neben der Darstellung des bestehenden Rechtsrahmens und Fragen seiner Anwendbarkeit und Konkretisierung bei algorithmischen Verfahren innerhalb telemedial erbrachter Angebote in einem systematischen Anforderungskatalog an entsprechende Systeme. Dabei werden positive Vorgaben (Vielfaltsdimensionen, Ausgewogenheit, Transparenz) und negative Grenzen (Persönlichkeitsrechtsschutz, Datenschutz, Jugendmedienschutz, Verantwortlichkeit für unzulässige Äußerungen Dritter, Verbot der Presseähnlichkeit, etc.) differenziert betrachtet.
Darüber hinaus fließt die medienrechtliche Perspektive auch in die weiteren Arbeitspakete der Kooperationsparter mit ein: Im Rahmen der Erstellung von Software-Prototypen ist die medienrechtliche Leitfrage, wie rechtliche Vorgaben und normative Selbstverpflichtung effizient in Software-Anforderungen (funktionale und nicht-funktionale) überführt werden? Welche strukturellen Rahmenbedingungen für aktuelle und zukünftige Formen von Regulierung und ihrer Konkretisierung sind dazu notwendig?
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