Der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit im Digital Services Act

Cover des ersten Bandes der Schriftenreiher zur EU-Verordnung der Medienbehörde ÖsterreichDer Digital Services Act (DSA) soll die Meinungsfreiheit im Internet sichern. Er verbietet Plattformbetreibern das willkürliche Löschen von Inhalten und verpflichtet sie, ihre Community Guidelines und Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der Meinungsfreiheit in Einklang zu bringen. In Österreich überwacht die Kommunikationsbehörde (KommAustria) die Einhaltung des Gesetzes durch die Plattformen. Die Publikation „Der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit im Digital Services Act“, an der Prof. Dr. Matthias C. Kettemann maßgeblich beteiligt war, bildet den Auftakt einer Schriftenreihe der KommAustria zum DSA, die eine Grundlage für das Verständnis des DSA schaffen und zu einer differenzierten Diskussion beitragen soll.

Download der Studie (open access)

Zentrale Ergebnisse aus der Zusammenfassung

  • Diese Studie zeigt (…) auf, dass der DSA eine klare Differenzierung zwischen rechtswidrigen und (bloß) schädlichen Inhalten sichert und nur eine Pflicht zur raschen Löschung rechtswidriger Inhalte enthält. Zu konzedieren ist, dass der Umgang mit nicht rechtswidrigen Inhalten von vielen Plattformen im Rahmen von Risikobewertungen und Berichten analysiert und einberichtet werden muss, was ggf. zu proaktiver (und weder gewollter noch gesollter) Einschränkung von legitimen Meinungsäußerungen führen kann; dies stellt aber keine „Zensur“ dar. Derselbe Effekt kann durch Overblocking erzielt werden, was beispielhaft auf schlecht eingestellte Moderationssysteme zurückzuführen sein kann; dies ist zu beklagen, aber auch wiederum keine „Zensur“. Auch die Zertifizierung von Trusted Flaggers, den vertrauensvollen Hinweisgebern, durch staatliche Akteure, stellt keine Beleihung dieser dar und so übt der Staat auch über diese (ohnedies nur beschränkt mit Kompetenzen ausgestatteten) Organisationen keine „Zensur“ aus.
  • Der DSA berührt die Meinungsäußerungsfreiheit, schränkt diese indes nicht unverhältnismäßig ein. Vielmehr realisiert sich im Regulierungsprogramm des DSA eine Verstärkung des Grundrechtsschutzes Einzelner und des Schutzes der Interessen aller Beteiligter. Damit ist summarisch gesehen eine Verbesserung der plattförmigen Schutzniveaus von Meinungsäußerungsfreiheit begründet. In der Praxis müssen die Koordinatoren der Digitalen Dienste als Überwachungseinrichtungen aber auch dafür Sorge tragen, dass sich keine schleichende Aushöhlung der Meinungsäußerungsfreiheit durch Moderationspraktiken einstellt.
  • Die Rolle vertrauensvoller Hinweisgeber (Trusted Flaggers) „ist vor dem Hintergrund des DSA sorgsam zu prüfen, und nur Akteure mit einem klaren Track Record hilfreicher und nicht überschießender Meldungen von rechtswidrigen Inhalten sind in Erwägung zu ziehen.“
  • „Alternative Streitschlichtungsstellen können für die raschere Lösung von inhaltsbezogenen Konflikten punktuell helfen; Beiräte oder Oversight Boards sind interessante Gremien zur mittel- bis langfristigen Weiterentwicklung der Meinungsäußerungsgovernance innerhalb von Plattformen, wobei auch hier auf eine Maximierung des Schutzes von Meinungsäußerungen und Meinungsvielfalt Bedacht zu nehmen ist.“
  • „Um Meinungsäußerungsfreiheit auch anbieterseitig zu stärken, sollten der professionelle Journalismus und public service media (öffentlicher Rundfunk) als Gegengewicht zu plattformbasierten Informationen gestärkt werden und die entsprechenden Garantien des European Media Freedom Acts geachtet werden.“
  • „Forscher:innen werden unter Rückgriff auf den vorgesehenen unabhängigen Datenzugang (Art. 40 DSA) befähigt, den plattförmigen Umgang mit rechtswidrigen und/oder problematischen Inhalten zu überprüfen und sollten in die Arbeit der DSCs eingebunden werden.“

Kettemann, M.C., Böck, C. und Müller, M. (2024): Der Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit. Schriftenreihe des österreichischen Koordinators für Digitale Dienste zum Digital Services Act, Band 1. Innsbruck: KommAustria. Verfügbar unter: https://www.rtr.at/DSA_Studie_Meinungsfreiheit.

Überblick

Erscheinungsdatum

19.03.2025

Art der Publikation

  • sonstige Publikation

Forschungsprogramm:

FP 2 Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen

Beteiligte Personen:

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