Politische Informationsangebote im Medienrepertoire von Pre-Teens

Heranwachsende kommen über verschiedene Medien und Kommunikationskanäle mit politischen Informationen in Berührung. Basierend auf den Ergebnissen ihrer Bachelorarbeit erläutert Clara Fussan, welche Rolle politischen Informationsangeboten im Medienrepertoire sowie der politischen Sozialisation von Pre-Teens zukommt.

Medien als Informationsquelle wird eine zentrale Rolle zugeschrieben und es wird immer wieder thematisiert, dass sie insbesondere auch die Meinung Heranwachsender prägen. Erst kürzlich wurde beispielsweise diskutiert, wie die hohen Zustimmungswerte der AfD unter jungen Wähler*innen bei vergangenen Landtagswahlen mit der Nutzung von Sozialen Medien zusammenhängen (NDR 2024).

Kinder im Alter der Präadoleszenz (ca. neun bis zwölf Jahre), sogenannte Pre-Teens (Schuster 2002, S. 204; Staats, 2021, S.40), beginnen, sich verstärkt mit der eigenen politischen Identität auseinanderzusetzen, ihre politische Umwelt wahrzunehmen und somit die Grundsteine für eine weitere politische Entwicklung in der Jugend zu legen (Kuhn 2000; Rippl, S., Seipel, C., Kindervater, A. 2022; Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2022). In der bisherigen Forschung zu diesem Thema wurde diese Altersgruppe jedoch häufig vernachlässigt. Aus diesem Grund wurde sie im Rahmen einer Bachelorarbeit genauer in den Blick genommen. Im Fokus standen folgende Fragen: Welche Rolle spielen medial vermittelte Informationsangebote in der politischen Sozialisation von Pre-Teens? Inwiefern tragen Medienangebote zur Vermittlung bzw. Aufnahme von und Suche nach politischem Wissen bei? Wie steht dies im Verhältnis zur Wissensaufnahme durch andere Sozialisationsinstanzen? Und welche Potenziale ergeben sich daraus für die Entwicklung zu demokratischen Individuen?

Im Frühjahr 2024 wurden qualitative Leitfadeninterviews mit zehn Pre-Teens geführt. Dabei standen fünf Themenbereiche im Mittelpunkt:

  1. Der Kenntnisstand und das Informationsbedürfnis zu politischen Ereignissen,
  2. das persönliche, informationsorientierte Medienrepertoire und
  3. damit verbundene Medienpraktiken,
  4. der Einfluss anderer Sozialisationsinstanzen auf die politische Sozialisation sowie
  5. subjektiv empfundene Potenziale und Limitationen bestimmter medialer Informationsangebote.

Grundlegende politische Informationen sind bekannt

Politische Ereignisse, wie der Krieg in der Ukraine oder die Klimabewegung Fridays For Future, sind den befragten Kindern nicht fremd. Neben Informationen aus Medien, wie z. B. YouTube, Radio- und Fernsehnachrichten, erfahren die Befragten oft durch Gespräche in der Schule von solchen Themen. Unterschiede zeigen sich vor allem im Hinblick auf das Interesse der Befragten an Hintergrundwissen: Detailliertere Hintergrundinformationen wie z. B. gesellschaftliche Strukturen, die politische Ereignisse bedingen, sind eher nicht bekannt, und es zeigt sich auch kein tiefergehendes Interesse daran. So berichtet Luis (11 Jahre) beispielsweise zu den Klimaprotesten von Fridays for Future: „[…] also ich wusste nur, dass die halt fürs Klima demonstrieren, aber eigentlich nicht mehr“. Meist erfahre er solche Informationen über seine Eltern, ohne anschließend weiter nachfragen zu wollen.

Radio- und Fernsehnachrichten sind zentrale Quellen für politische Informationen

Grundsätzlich stehen Spaß und Unterhaltung bei der Mediennutzung im Pre-Teen-Alter an erster Stelle. Immer wieder kommen Pre-Teens medial aber auch mit aktuellen Themen in Berührung. Spezifische politische Informationen werden vor allem über Radionachrichten und Fernsehangebote aufgenommen. Dazu zählen u. a. die Kindernachrichtensendung logo! (ZDF), die Tagesschau (ARD) oder Wissenssendungen wie die der Checker Welt (ARD). Teilweise tragen auch YouTube-Videos zur Informationsvermittlung bei.

Aktive Suche oder vermittelter Kontakt: So erfahren Pre-Teens von politischen Informationen

Mit Blick auf die spezifischen Nutzungspraktiken dieser Angebote kann zwischen aktiver Suche nach Informationen und einem durch andere Personen vermittelten Kontakt unterschieden werden. So suchen manche Kinder selbst nach Informationen, z. B. durch die eigenständige Nutzung von YouTube-Videos oder den Wunsch, abends mit der Familie logo! oder die Tagesschau anzuschauen. Häufig scheint die Informationsaneignung bei Pre-Teens jedoch noch von anderen Faktoren bzw. Personen abhängig zu sein: In einigen Fällen werden gesellschaftlich relevante Themen von außen an die Pre-Teens herangetragen oder die Nachrichtennutzung von anderen, meist erwachsenen Personen, initiiert. Hier sind es in der Regel die Eltern oder Akteur*innen in der Schule, die den Anstoß geben und die Kinder zur Nutzung bestimmter Angebote anregen. Ähnlich ist es bei Carlotta (11 Jahre), die erzählt, dass sie Informationen aufnimmt, wenn Familienmitglieder, die sich im gleichen Raum aufhalten, Nachrichten nutzen: „[…] die Tagesschau hat meine Schwester eine Zeitlang geguckt, da hab‘ ich manchmal mitgeguckt, weil ich meistens davor noch logo! geschaut habe. Aber von alleine würde ich das nicht schauen.“ Hier wird deutlich, welche Vorbildfunktion anderen Familienmitgliedern zukommt: Durch das Vorleben der Mediennutzung werden Normen der medialen Informationsaneignung an Kinder vermittelt.

Familie und Schule als prägende Akteure, Medien als Verstärker

Dem sozialen Austausch kommt bei der Informationsaufnahme eine große Bedeutung zu. Dabei spielt vor allem die Kernfamilie eine wichtige Rolle – sei es durch mehr oder weniger regelmäßige politische Gespräche am Esstisch, den Austausch der Eltern über politische Themen im Beisein des Kindes oder die gemeinsame, oft auch routinierte Nutzung von Nachrichtensendungen. Dabei sind die Eltern oder ältere Geschwister meist die Hauptinitiator*innen für politische Auseinandersetzungen. Freund*innen und Freizeitaktivitäten sind hinsichtlich der politischen Informationsaufnahme eher nachranging, dafür spielt die Schule eine zentrale Rolle. Hier findet beispielsweise durch den Unterricht in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern eine Auseinandersetzung mit politischen Themen statt, wie z. B. bei Laura (10 Jahre): „Also wir machen am Freitag immer in der letzten Stunde Demokratiebildung und da müssen wir dann immer einen Sprecher auswählen, der übernimmt. Und dann fragen wir den so Sachen und fragen den auch so, was in der Woche so los gewesen ist.“ Auch informelle Lernprozesse haben eine wichtige Funktion. Beispielsweise erzählt ein Junge, dass er vom Krieg in der Ukraine durch eine sogenannte neue „Willkommensklasse“ auf seiner Schule mit ukrainischen Mitschüler*innen erfahren habe.
Die Einflüsse der verschiedenen Akteur*innen wirken dabei häufig zusammen: Womit sich beispielsweise in der Schule auseinandergesetzt wird, wird auch zu Hause besprochen oder durch die Mediennutzung vertieft. So erzählte ein Mädchen beispielsweise, durch neue ukrainische Nachbarn und die Schule über den Krieg in der Ukraine erfahren zu haben und sich anschließend weiter über YouTube und ihre Eltern informiert zu haben. Es zeigte sich also auch hier, dass die Nutzung von Medienangeboten teilweise von anderen Akteur*innen abhängig ist, Medienangebote aber gleichzeitig auch bestehendes Wissen vertiefen und Anlässe für weitere Gespräche bieten.

Nachrichten auf Augenhöhe: Was Pre-Teens an Nachrichtenangeboten schätzen

Die befragten Kinder selbst haben gemischte Meinungen zu den genutzten informationsvermittelnden Medienangeboten. Spezifische Kinderangebote, wie logo!, kommen gut an, weil sie Informationen verständlich und auf Augenhöhe vermitteln. Angebote mit Partizipationsmöglichkeiten und eine breite Themenvielfalt werden ebenfalls geschätzt. Angebote für erwachsene Zielgruppen, wie die Tagesschau, werden wiederum als zu kompliziert und wenig spannend wahrgenommen. Auch Lukas (10 Jahre) würde eine größere Vielfalt schätzen: „[…] ich find‘ bei Radios könnten die wirklich noch ein bisschen mehr Nachrichten reinbringen […], weil […] mir ist aufgefallen, die Nachrichten wiederholen sich immer, das finde ich ein bisschen doof. […] Das ist dann auch nicht mehr spannend.“ Es wurde außerdem der Wunsch geäußert, Kinder stärker in die Gestaltung der Angebote einzubeziehen.

Bedarf an verlässlichen Informationsangeboten und medienpädagogischer Unterstützung

Die Interviews zeigen, dass Pre-Teens bereits ein breites, wenn auch nicht tiefes Wissen zu politischen Themen haben und in der Lage dazu sind, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen. Allerdings ist die Nutzung von Nachrichten- und anderen Informationsangeboten insbesondere von der Familie und Schule abhängig. Medien nehmen insofern keine dominante, aber dennoch eine verstärkende Position in der Vermittlung politischen Wissens ein.
Für Eltern ist es wichtig, sich bewusst zu werden, dass sie eine bedeutende Rolle in den Prozessen der Informationsvermittlung spielen und dass sie somit auch Einfluss auf die politische Bildung ihrer Kinder haben. Gleichzeitig sollten sich auch Medienschaffende sowie Politiker*innen vergegenwärtigen, dass Kinder bereits früh mit verschiedensten politischen Informationen in Berührung kommen. Gerade auch aufgrund der Flut von Informationen zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen, globalen Krisen oder auch politischer Konflikte sind weitere, zielgruppengerechte Medienangebote und medienpädagogische Projekte notwendig, die verlässliche Quellen anbieten und die Auseinandersetzung mit Informationen fördern. Auf diese Weise können Kinder in ihrer politischen Sozialisation unterstützt werden, damit sie sich zu kritikfähigen und demokratischen Mitgliedern unserer Gesellschaft entwickeln.

Letzte Aktualisierung: 16.12.2024

Beteiligte Personen:

Newsletter

Infos über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und Publikationen des Instituts.

Jetzt abonnieren