Kommunikation in Krisen

Wie ändert sich das Informationsverhalten in krisenhaften Situationen wie der Covid-19-Pandemie? Welche Rolle spielen Akteure aus Wissenschaft, Politik und Medien und wie wird der Verunsicherung begegnet? Antworten hierauf lieferte ein Projekt, das vorliegende Studien sichtete und Expert*innen interviewte.

Auf der Basis von systematischen Literaturrecherchen und Gesprächen mit ausgewählten Expert*innen aus verschiedenen Akteursbereichen hat ein Team des HBI im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts „Kommunikation in Krisen“ kommunikative Prozesse in der aktuell herrschenden COVID-19-Krise aufgezeigt und als
Arbeitspapier (PDF) veröffentlicht:

  • Broer, Irene; Hasebrink, Uwe; Lampert, Claudia; Schröder, Hermann-Dieter; Wagner, Hans-Ulrich; unter Mitarbeit von Corinna Endreß (2021): Kommunikation in Krisen. Hamburg: Hans-Bredow-Institut, September 2021 (Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts | Projektergebnisse Nr. 59), https://doi.org/10.21241/ssoar.74139

Der Gegenstandsbereich des Projekts für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erstreckte sich auf die Rolle von Kommunikation in Krisen und somit auf die kommunikativen Praktiken verschiedener Akteure aus Wissenschaft, Politik, Medien und breiter Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Krisen. Die Erhebung und Auswertung von entsprechenden Daten war u. a. von folgenden Fragestellungen geleitet:

  • Wie verändert sich das Informationsverhalten von Menschen in Krisen?
  • Wie kommunizieren die Akteure aus verschiedenen Bereichen der Politik, der Wissenschaften und der Medien Krisen?
  • Wie verändern sich Konstellationen von Akteuren in der Kommunikation in Krisen?
  • Welche besonderen Entwicklungen in den kommunikativen Praktiken sind zu beobachten? (v.a. in Hinblick auf funktionale und dysfunktionale Aspekte, z.B. auf das Aufkommen von Verschwörungserzählungen)
  • Welche Regulierungsbedarfe werden in diesem Bereich diskutiert?
  • Welche Erkenntnisse zur Rolle von Kommunikation in zurückliegenden Krisen gibt es?

Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurde zum einen der internationale Forschungsstand erhoben, systematisch ausgewertet und zentrale Forschungslinien wurden herausgearbeitet. Zum anderen wurden leitfadengestützte Interviews mit ausgewählten Expert*innen durchgeführt, die unterschiedliche Perspektiven repräsentieren. Ziel der Expertise war die Identifizierung von Forschungs- und Handlungsbedarfen im Hinblick auf die Kommunikation in Krisen.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Projekt „Kommunikation in Krisen“ analysiert kommunikative Prozesse in Krisen. Diese werden verstanden als eine ereignisbezogene gesellschaftliche Verunsicherung, in deren Folge sich ein temporärer, dynamischer sozialer Zusammenhang zur Bewältigung dieser Verunsicherung herausbildet. Auf der Basis von systematischen Literaturrecherchen und Gesprächen mit ausgewählten Expert*innen aus verschiedenen Akteursbereichen werden kommunikative Prozesse in der aktuell herrschenden COVID-19-Krise aufgezeigt.

Um Kommunikation in Krisen systematisch zu beschreiben, wird ein figurationstheoretischer Ansatz verfolgt, der Kommunikation in Krisen als ein Interdependenzgeflecht versteht und die an der Kommunikation beteiligten Akteure, deren jeweiligen handlungsleitenden Orientierungen und kommunikativen Praktiken in den Blick nimmt. Im Zentrum stehen die bereichsspezifischen Handlungslogiken von Akteuren aus den Bereichen:

  • Öffentliche Gesundheit und Sicherheit,
  • Wissenschaft und Forschung,
  • Öffentlichkeit und Journalismus,
  • gruppenspezifische Interessen,
  • Lebenswelt der einzelnen Mitglieder der Gesellschaft.

Auf der Basis vorliegender Befunde aus der Forschung und ergänzender Expert*innengespräche werden die Wahrnehmung der Kommunikation in der Krise sowie die verschiedenen handlungsleitenden Orientierungen untersucht. Geleitet vom figurationstheoretischen Ansatz werden erstens der prozesshafte Charakter von Krisen und ihrer kommunikativen Bewältigung herausgearbeitet, zweitens die Vielfalt der an der kommunikativen Aushandlung ihrer Bewältigung beteiligten Akteure sowie drittens die Herausforderungen, die sich aus den vielfältigen rollen- und lebensweltbezogenen Ansprüchen, Erwartungen und Handlungsorientierungen ergeben.

Auf dieser Grundlage werden verschiedene bereichsübergreifende Herausforderungen für die Kommunikation in Krisen identifiziert. Diese werden in Form von Spannungsfeldern beschrieben, in denen die Kommunikation in Krise verlaufen kann, etwa zwischen

  • Konsonanz und Vielstimmigkeit,
  • Warnung und Beruhigung,
  • Vereinfachung und Differenzierung.
  • Umfassende Information und Orientierungshilfe,
  • Eigenverantwortung und Regulierung.

Empfehlungen

Im Hinblick auf die Frage, wie die Art der kommunikativen Beziehungen zwischen Akteuren aus Politik, Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft zur Stärkung einer Krisenresilienz beitragen kann, wird empfohlen, bei der Kommunikation in Krisen

  • alle relevanten Akteursperspektiven zu berücksichtigen;
  • die eigene Position in ihrer jeweiligen Perspektive erkennbar und transparent machen;
  • zielgruppengerechte Kommunikationsstrategien zu entwickeln und umzusetzen;
  • dialogische Kommunikationsstrategien nicht in der Krise aufzugeben, sondern zu stärken;
  • bereichsübergreifende Gremien oder Kommunikationsstrukturen zu schaffen, die systematisch die kommunikativen Bedarfe der verschiedenen Akteursgruppen ermitteln und den beteiligten Akteuren zur Verfügung stellen.

Logo "Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung"

Photo by Robert Metz on Unsplash

Projektdetails

Überblick

Laufzeit Beginn: 2020; Laufzeit Ende: 2021

Forschungsprogramm: FP 3 Wissen für die Mediengesellschaft

Ansprechpartner

Hans-Ulrich Wagner

Dr. Hans-Ulrich Wagner

Senior Researcher Forschungsstelle Mediengeschichte

Wir sind nicht mehr in der Rothenbaumchaussee 36, sondern vorübergehend unter folgender Postadresse zu erreichen:

Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut
c/o betahaus | Gänsemarkt
Gänsemarkt 43
20354 Hamburg

Ähnliche Projekte & Publikationen

Cover des Buchs "Recht der Digitalisierung"
Publikation Als Open Access verfügbar

Recht der Digitalisierung

Kann den zentralen Herausforderungen der Digitalisierung mit Recht begegnet werden? Die Beiträge in dem von Prof. Dr. Matthias C. Kettemann herausgegebenen Band zeigen, welche neuen Rechtsgebiete von Bedeutung sind, wie KI reguliert werden kann, welche Rolle digitale Dienste haben und wie gute Technologiepolitik und sinnvolles Innovationsrecht aussieht.

Screenshot der ersten "Seite" des Artikels auf dem Verfassungsblog
Publikation Beitrag auf Verfassungsblog

Zur Durchsetzung des DSA durch die EU-Kommission

Die problematische Rolle der Europäischen Kommission bei der Durchsetzung des Digital Services Act (DSA) sowie mögliche Alternativen stehen im Zentrum eines englischsprachigen Blogbeitrags, den Jan-Ole Harfst, Dr. Tobias Mast und Prof. Dr. Wolfgang Schulz am 16. Juli 2025 auf dem Verfassungblog veröffentlicht haben.

Cover des Papers aus der Reihe Working Papers des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD)
Publikation Frisch veröffentlicht

Community-Datentreuhand für sensible Daten

Jan Rau, Moritz Fürneisen und Gregor Wiedemann haben das Konzept einer Community-Datentreuhand mitentwickelt, um eine gemeinsame Erstellung und Nutzung sensitiver Daten in der Kommunikationswissenschaft zu erleichtern. Am Beispiel der Forschung rechtsextremer Onlinekommunikation zeigen sie, wie eine Community-Datentreuhand aufgebaut sein kann. 

Cover of the journal UFITA
Publikation Soeben erschienen

Zum Public Value öffentlich-rechtlicher Medien

"Was können Ergebnisse der Publikumsforschung über den Public Value öffentlich-rechtlicher Medien aussagen?" haben sich Uwe Hasebrink und Jan-Hinrik Schmidt gefragt und ihre Überlegungen in Heft 2/2024 in der Zeitschrift UFITA veröffentlicht.

Cover der Zeitschrift New Media & Society
Publikation Zum Download

Persönliche Einstellungen bei der politischen Informationssuche

Lisa Merten hat mit fünf Ko-Autor*innen erforscht, wie sich Persönlichkeitsmerkmale und -einstellungen auf die politische Informationssuche auswirken. Der englischsprachige Artikel ist nun open access in der Zeitschrift New Media & Society erschienen.

Cover des Arbeitspapiers
Publikation Arbeitspapier zum Download

Fertilität und Ethik in der Onkologie

Für Krebspatient*innen mit Kinderwunsch sind mediale Angebote wie Webseiten, Gesundheitsportale und Soziale Medien neben Ärzt*innen wichtige Informationsquellen. Welche Inhalte Krebspatient*innen zum Fertilitätserhalt begegnen und welche ethischen sowie medizinischen Fragen dabei adressiert werden, haben Claudia Lampert und Christina Leppin untersucht.

Cover der Broschüre zum 75. Geburtstag
Publikation Broschüre zum Download

Facetten aus 75 Jahren Hans-Bredow-Institut

Mit einer Broschüre werfen wir einen Blick auf die Entwicklung des Instituts seit 1950. Wir haben dabei nicht den Anspruch, eine lückenlose Geschichte nachzuzeichnen, sondern möchten einige Schlaglichter auf Besonderheiten des Instituts werfen, festgemacht an Zeitpunkten in der Vergangenheit, an denen diese Besonderheiten besonders in Erscheinung traten.

Cover des Arbeitspapiers "Für den Reuters Institute Digital News Report 2024 zur Nachrichtennutzung im internationalen Vergleich wurden zeitgleich Befragungen in 47 Ländern realisiert, um generelle Trends, aber auch nationale Besonderheiten erkennen zu können. Das HBI ist verantwortlich für die deutsche Teilstudie; es wird dabei von den Landesmedienanstalten und dem ZDF unterstützt. Cover des Arbeitspapiers "Reuters Report 2025"
Publikation Nachrichtennutzung im internationalen Vergleich

Reuters Institute Digital News Report 2025 – Ergebnisse für Deutschland

Für den Reuters Institute Digital News Report 2025 zur Nachrichtennutzung im internationalen Vergleich wurden zeitgleich Befragungen in 48 Ländern realisiert, um generelle Trends, aber auch nationale Besonderheiten erkennen zu können. Das HBI hat die Ergebnisse für Deutschland erarbeitet.

Cover von Heft 2/2025 M&K
Publikation Frisch erschienen

M&K 2/2025 Themenheft „Medienstrukturen revisited“

Heft 2/2025 "Medien & Kommunikationswissenschaft" ist als Themenheft "Medienstrukturen revisited" erschienen, herausgegeben von Josef Seethaler, Marlis Prinzing, Petra Herczeg und Mark Eisenegger. Das gesamte Heft ist open access über die Nomos-eLibrary zugänglich.

Cover des Beitrags aus Media Perspektiven 12/2025
Publikation Beitrag in Media Perspektiven

Öffentlich-Rechtliche im Nachrichtenrepertoire

Auf Basis der für Deutschland erhobenen Daten des Reuters Institute Digital News Surveys für 2018 bis 2024 haben Dr. Sascha Hölig, Hannah Immler und Nina Nevermann untersucht, wie sich die Verteilung von Nachrichtenrepertoires von Onlinern in diesem Zeitraum entwickelt hat.

1 2 3 18

Seite 1 von 18

Newsletter

Infos über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und Publikationen des Instituts.

Jetzt abonnieren