Hamburger Woche der Pressefreiheit: Nachrichtennutzung, -vermeidung und digitale Öffentlichkeiten

Wie informieren sich Menschen heute? Wer vermeidet Nachrichten und warum? Welche Kommunikationslogiken bestimmen analoge und digitale Medien? Mit diesen Fragen hat sich das HBI im Rahmen der diesjährigen Hamburger Woche der Pressefreiheit befasst und gemeinsam mit dem DJV Nord zwei öffentliche Diskussionsabende ausgerichtet. In beiden Gesprächsrunden trafen Forschungsergebnisse des HBI auf Perspektiven aus dem journalistischen Alltag.

Nachrichtennutzung zwischen Routine und Vermeidung

Wer nutzt Nachrichten routiniert, wer vermeidet sie eher und aus welchen Gründen? Was bedeutet das für journalistische Redaktionen? Diese Fragen diskutierten Dr. Leonie Alatassi und Julia Behre mit Hamburger Journalist*innen im TV-Studio von TIDE Hamburgs Bürger:innensender + Ausbildungskanal.

Die Gesprächsrunde wurde aufgezeichnet (Link folgt). Der Nachrichtenjournalist Dr. Martin Wilhelmi führte als Moderator durch das Gespräch.

Leonie Alatassi zeigte auf, wie heterogen die Informationswege auch innerhalb junger Altersgruppen sind und wie sehr sich Orientierungsmuster, Routinen und Nachrichtenkompetenz verändern. Julia Behre betonte auf Basis der Daten des Reuters Digital News Report, dass bewusste Nachrichtenvermeidung auch eine Form von Selbstschutz sein kann: vor Dauerkrisen, Überforderung und Erschöpfung. Zugleich zeigten viele Menschen den Wunsch nach mehr positiven und lösungsorientierten Geschichten.

Aus medienpraktischer Perspektive schilderten Maik Koltermann, Chefredakteur der Hamburger Morgenpost, und Julia Weigelt, Fachjournalistin für Sicherheitspolitik, vor welchen Herausforderungen Redaktionen stehen: Maik Koltermann hob die Bedeutung des direkten Dialogs mit Leser*innen hervor, sei er noch so emotional und kontrovers. Julia Weigelt plädierte für konstruktiven Journalismus und mehr Empathie als Mittel, um komplexe Themen verständlich und zugänglich zu machen.

Bildliche Eindrücke zur Veranstaltung gibt es auf der Seite des Mitveranstalter DJV Nord.

Journalismus, Influencing, Lügen: Spielregeln der (Des-)Information

Bei der zweiten Veranstaltung im Rahmen der Hamburger Woche der Pressefreiheit standen die Fragen im Mittelpunkt, wie verlässliche Informationen entstehen, wer den öffentlichen Diskurs mit welchen Mitteln prägt und wodurch sich Journalismus und Influencing unterscheiden.

Die Veranstaltung in der Bücherhalle Barmbek bot einen Blick auf die Entstehung von Informationen im Spannungsfeld zwischen klassischen journalistischen Standards und den Kommunikationslogiken digitaler Plattformen. Durch das Gespräch führte Stefan Endter, Geschäftsführer des DJV Nord.

Anna von Garmissen zeigte anhand der Ergebnisse des DFG-Projekts „Journalismus unter Druck“, dass ökonomische, politische und digitale Veränderungen den Berufsalltag vieler Journalist*innen zunehmend bestimmen. Gleichwohl sehen Journalist*innen den Kern ihres Rollenverständnisses in der neutralen Vermittlung verlässlicher Informationen. Dies beinhalte, Informationen so aufzubereiten, dass Menschen zur Meinungsbildung befähigt würden, und Desinformation entgegenzuwirken. Mit Blick auf den Unterschied von Journalismus und Influencing betonte Anna von Garmissen, dass es weniger um die Ausspielwege gehe als vielmehr um die Frage, wie Menschen mit nachrichtlichen Inhalten erreicht werden können.

Jan Rau beleuchtete die Dynamiken digitaler Öffentlichkeiten und hob hervor, dass es dringend geboten ist, soziale Plattformen stärker zu regulieren. Der seit Februar 2024 EU-weit geltende Digital Services Act biete dafür einen rechtlichen Rahmen, die Durchsetzung der neuen Regeln verlaufe allerdings noch zu schleppend.

Aus der journalistischen Praxis berichteten André Schünke, Journalist und Moderator beim NDR, und Rieke Smit, Social-Media-Redakteurin bei der tagesschau. André Schünke thematisierte die wachsende Relevanz von Medienbildung, insbesondere mit Blick auf Fakenews und KI-generierte Inhalte. Wichtig sei es, jungen Menschen eine gesunde Skepsis in der Mediennutzung beizubringen. Rieke Smit betonte, dass nicht nur junge Menschen Zielgruppe von Medienkompetenzprogrammen sein sollten: Auch bei Menschen in höheren Altersklassen gebe es Nachholbedarf in der Erkennung von Desinformation und Fake News. Sie erläuterte, dass sie in ihrer Arbeit klassische journalistische Arbeitsweisen mit der Funktionslogik von Social-Media-Plattformen verbinde. Relevant sei sowohl die Quellen- und Perspektivenvielfalt sowie das Selbstverständnis als unabhängige Berichterstatterin als auch die Erkenntnis, dass Social-Media-Videos oft nur wenige Sekunden Zeit hätten, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Diese Sekunden dürften durchaus emotional gestaltet sein. In dieser Hinsicht könnten Influencer*innen und Journalist*innen einiges voneinander lernen, so Smit.

Bildliche Eindrücke zur Gesprächsrunde gibt es auf der Seite des Mitveranstalters DJV Nord.

Über die Aktionswoche

Das HBI ist seit 2025 Netzwerkpartner der Hamburger Woche der Pressefreiheit. Die Aktionswoche ist eine Initiative der Körber-Stiftung und der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS. In diesem Jahr fanden in der Woche vom 2. bis 8. November rund 60 Veranstaltungen rund um das Thema Pressefreiheit, Medienkompetenz und Desinformation statt.

Foto: Stephan Wallocha; von links im Bild: Stefan Endter, Andre Schünke, Anna von Garmissen, Rieke Smit, Jan Rau

Letzte Aktualisierung: 13.11.2025

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