Wie nutzen Menschen in verschiedenen sozialen Lagen die verschiedenen Medien, und wie tragen sie damit zur Herstellung von Öffentlichkeiten und gesellschaftlichem Zusammenhalt bei?
Das Projekt, ein Hamburger Teilprojekt des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ), ermittelte auf Grundlage verschiedener empirischer Daten, wie sich Teilgruppen der Gesellschaft kommunikativ aufeinander beziehen. Damit ist es möglich, kommunikations- und medienbezogene Prozesse gesellschaftlicher Integration und Fragmentierung zu erkennen. Die Befunde wurden zudem aus medienrechtlicher Perspektive reflektiert und in Hinblick auf ihre Konsequenzen für Medien(verfassungs)recht und Medienpolitik untersucht.
Das Projekt ging davon aus, dass die Art und Weise, wie Menschen die verschiedenen Kommunikationsmedien nutzen und sich dadurch mit verschiedenen Öffentlichkeiten, Gruppen und Individuen in Beziehung setzen, einen maßgeblichen Faktor für die Konstruktion gesellschaftlichen Zusammenhalts darstellt. Angesichts der durchlässig gewordenen Grenzen zwischen öffentlicher und privater Kommunikation ist die Vorstellung überholt, die soziale Integration einer Person lasse sich einerseits an ihren persönlichen Netzwerken und andererseits an ihrer Teilhabe an der öffentlichen Kommunikation durch die Rezeption von Massenmedien ablesen. Um in der heutigen Medienumgebung den Beitrag individueller Mediennutzer*innen zur Konstruktion gesellschaftlichen Zusammenhalts zu verstehen, bedarf es einer differenzierteren Analyse der Praktiken, mit denen sich Individuen mit verschiedenen Öffentlichkeiten in Beziehung setzen. Über die Analyse der individuellen „Repertoires öffentlicher Anbindung“ kann dann auch der konzeptionelle Brückenschlag zur Beschreibung von Öffentlichkeiten und zur Analyse ihres Zusammenhalts erfolgen.
Das Vorhaben untersuchte insbesondere die (medienbezogenen) Praktiken sowie die mit ihnen verwobenen Beziehungsgeflechte als maßgebliche Faktoren, die gesellschaftlichen Zusammenhalt hervorbringen. Sein Anspruch war, sowohl in begrifflich-theoretischer als auch empirisch-analytischer Hinsicht zum besseren Verständnis des gesellschaftlichen Zusammenhalts beizutragen.
Methoden, empirischer Zugang, Vorgehen
Zur Beantwortung der Leitfrage kombinierte das Vorhaben in sechs Arbeitspaketen mehrere disziplinäre Perspektiven sowie unterschiedliche methodische Zugänge:
- In zwei Arbeitspaketen wurden Datenbestände aus zwei anderweitig durchgeführten, international vergleichenden quantitativen Befragungen re-analysiert, wobei die Frage nach den Implikationen veränderter Muster der Mediennutzung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Fokus stand.
- Anhand der 2018 im Rahmen des Projekts „The Peoples‘ Internet (PIN)“ erhobenen Daten zur Mediennutzung unter anderem in Deutschland, den USA und China ließ sich untersuchen, wie sich verschiedene Bevölkerungsgruppen in ihrem Kommunikationsverhalten, ihrem Zugehörigkeitsgefühl, ihrer sozialen Beteiligung und ihrer Lebenszufriedenheit unterscheiden.
- Beim „Reuters Institute Digital News Survey“ handelte es sich um eine seit 2012 jährlich durchgeführte ländervergleichende Studie zur Nachrichtennutzung in inzwischen 38 Ländern. Die Re-Analyse der Datenbestände gab Aufschluss über Muster der Nachrichtennutzung, Vertrauen in die Berichterstattung, die Rolle sozialer Medien sowie das allgemeine Partizipationsverhalten und ordnete diese sowohl im Ländervergleich als auch in der Längsschnittperspektive ein.
- Ein drittes Arbeitspaket umfasste Untersuchungen zu den sich herausbildenden Praktiken des Umgangs mit digitalen Plattformen. Dazu wurden die im (Social) Media Observatory erhobenen Daten im Hinblick auf individuelle Praktiken der Social Media-Nutzung und deren Implikationen für gesellschaftlichen Zusammenhalt untersucht, unter anderem mit Hilfe von Netzwerkanalysen zur Erfassung von Publikumsüberschneidungen sowie mit automatisierten Inhaltsanalysen von nutzerseitigen Reaktionen und Kommentaren.
- Ein viertes Arbeitspaket griff auf die Daten der zentral durchgeführten quantitativen und qualitativen Paneluntersuchungen des FGZ zurück und fokussierte auf die Rolle von Medien und Kommunikation: In welchen sozialen Milieus sind welche Muster der Mediennutzung zu beobachten? Und wie hängen diese mit verschiedenen Indikatoren gesellschaftlichen Zusammenhalts zusammen?
- Ergänzend zu und aufbauend auf den empirischen Arbeiten reflektierte ein fünftes Arbeitspaket die kommunikationswissenschaftlichen Befunde aus rechtlicher Perspektive Insbesondere sollte erörtert werden, inwiefern empirisch beobachtbare Veränderungen gesellschaftlichen Zusammenhalts vom medienregulierenden Gesetzgeber zu berücksichtigen und mit den vom Bundesverfassungsgericht zugrundegelegten Konzepten – etwa dem einer deliberativen Mediendemokratie – noch in Einklang zu bringen sind.
- Ein sechstes Arbeitspaket war der Integration der Befunde aus den vorangegangenen Arbeitsschritten sowie einer zusammenfassenden Analyse gewidmet.
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